Wo die Bäume ertranken – der Matusadona Nationalpark

Es ist heiß. Die Luft steht, nicht einmal ein Hauch an Bewegung. Die Wasseroberfläche ist glatt wie ein Spiegel. Es ist unglaublich nebelig. Warmer Nebel. Gespenstisch. Mystisch. Wir, fünf Fotofreunde auf Tour in Simbabwe, sehen nicht wohin das Boot fährt in dem wir sitzen. Wir sind umgeben von grauer Suppe. Kein Stückchen Land ist in Sicht; kein Ufer; keine Insel. Unheimlich.

Unterwegs auf dem Karibasee bei Nebel
Unterwegs auf dem Karibasee bei Nebel

Die Entstehung des Karibasees

Einst war hier nur ein Fluss: der Sambesi, der viertlängste Strom Afrikas. In der Trockenzeit führte dieser Fluss extrem wenig Wasser, in der Regenzeit hingegen kam es alljährlich zu großflächigen Überflutungen. So hatten die Menschen bereits 1912 die Idee, den Fluss aufzustauen.  Ende 1956 wurde aus der Idee Wirklichkeit. 10000 Arbeiter rückten an und bauten eine beeindruckende Staumauer aus einer Millionen Kubikmeter Beton. Immer wieder kam es zu Rückschlägen und Unfällen; ein Schutzdamm brach, eine Verbindungsbrücke wurde weggeschwemmt. 86 Menschen hatten ihr Leben verloren, bevor im Dezember 1958 mit dem Stau des Wassers begonnen werden konnte. Fünf Jahre dauerte es bis sich der Damm gefüllt hatte.

Staumauer des Karibasees
Staumauer des Karibasees

Nyaminyami heißt der Geist des mächtigen Sambesi im Glauben der Tonga, die vor der Entstehung des Sees an den Ufern des Sambesi siedelten. Nyaminyami wird als riesige Wasserschlange dargestellt und blickt oberhalb der Staumauer auf ihr ehemaliges Bett. 57000 Menschen wurden zwangsumgesiedelt. Noch heute sind sie die Verlierer des gigantischen Bauprojekts.

Nyaminyami
Nyaminyami

Das gestaute Wasser des Karibasees liefert Elektrizität, sowohl für Sambia als auch für Simbabwe. Die Staumauer ist die Grenze zwischen beiden Staaten. Ursprünglich waren deutsche Turbinen im Einsatz. Diese laufen immer noch; es wurde jedoch eine größere chinesische Turbine daneben gesetzt. Diese zieht mehr Wasser aus dem See als reinläuft. Damit nicht genug. Nach einer bestimmten Zeit läuft die chinesische Turbine heiß und muss abgeschaltet werden. Dann gibt es keinen elektrischen Strom. Simbabwe ist ein bitterarmes Land, da ist Export von Energie eine bedeutende und lebenswichtige Einnahmequelle. So kommt es, dass ständige Stromausfälle zur Tagesordnung der simbabwischen Bevölkerung gehören.

Staumauer des Karibasees
Staumauer des Karibasees

Mit der Errichtung der Mauer wurde der Sambesi auf einer Länge von 280 Kilometern aufgestaut. Zum Vergleich: Das ist eine Strecke von Düsseldorf nach Mannheim! Der Karibasee ist zehnmal größer als der Bodensee. Er ist durchschnittlich 20 Meter tief. Schnell machte sich sogenanntes Kariba Weed auf dem See breit. Es bedeckt heute etwa 2% des Sees. Abgestorbene Pflanzen treiben an einst vegetationslose Ufer und düngen diese. So kann dort Torpedogras (Panicum repens) wachsen. Es ist ein widerstandsfähiges und schnell wachsendes Sumpfgras das Büffeln, Flusspferden und Elefanten als Nahrungsquelle dient wenn in der Trockenzeit andere Gräser längst verdorrt sind.

Elefant beim Fressen
Elefant beim Fressen

Operation Noah

Von der Stauung des Sambesi waren nicht nur 57.000 Menschen betroffen, sondern auch Tiere. Als das Wasser anstieg retteten sich viele auf entstehende Inseln, doch diese gingen ebenfalls im See unter; Tausende Tiere ertranken. Der Wildhüter Rupert Fothergill startete 1959 die größte Tierrettungsaktion der Welt: Operation Noah. Tiere, die schwimmen konnten, wurden ans andere Ufer getrieben; andere Tiere wurden betäubt und mit Booten ans sichere Ufer gebracht. Bei diesen Aktionen wurde festgestellt, dass Perlhühner schwimmen können.

Perlhuhn
Perlhuhn

Geschätzt wurden zwischen 4500 und 6000 Tiere auf diese Weise bis 1963 gerettet, darunter 23 Elefanten, 78 Büffel, 1866 Impalas, 44 Nashörner, zehn Löwen, 585 Warzenschweine, 47 Stachelschweine und drei Hyänen. Die meisten Tiere wurden am Südufer des Sees ausgesetzt, dort wurden Schutzgebiete eingerichtet (leider nicht sofort).

Matusadona Nationalpark

Eines dieser Schutzgebiete ist der 1400 km² große Matusadona Nationalpark. Genau dieser Nationalpark ist unser Ziel. Die Anreise auf dem Landweg soll noch mühsamer sein als die Fahrt nach Mana Pools. Mit dem Boot hingegen sind wir von Kariba aus in einer Stunde da.

Kariba, Hafen
Kariba, Hafen

Abgeholt wurden wir am Hafen von Kariba von Karl. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines englischen Vaters gehört zum Team des Rhino Safari Camp am Ufer des Matusadona Nationalparks. Die sieben Unterkunftshäuschen (Chalets) verteilen sich weitläufig entlang des Seeufers; ein jedes mit Seeblick.

Blick auf das Rhino Safari Camp
Blick auf das Rhino Safari Camp

Die im Baustil der Tonga errichteten Chalets sind der Knaller: Eine einfache Holzplattform auf cirka zwei Meter hohen Pfählen. Darauf ein paar halbhohe Wände aus Bambus und ein Strohdach. Fertig. In der Mitte des Raumes stehen zwei Betten und ein Nachttisch, darüber hängt ein Moskitonetz. Wände gibt es nicht, es ist wie ein großer überdachter Balkon. Das geräumige Badezimmer befindet sich zwei Stufen tiefer und ist von etwa 180 Meter hohen Bambuswänden umgeben. Ein Dach gibt es nicht. Toilette, Waschbecken und Dusche haben einen freien Blick auf Himmel und Sterne. Großartig. Draußen und doch geschützt. Natürlich geht so etwas nur wenn’s warm ist – und das ist es. Bis zu 40 Grad Celsius kann das Thermometer schon mal steigen.

Das Camp ist nicht eingezäunt. Nach Einbruch der Dunkelheit dürfen wir nur in Begleitung eines bewaffneten Guides gehen und es passiert durchaus, dass gerade ein Elefant denselben Weg benutzen möchte. Dann müssen wir warten oder uns von der anderen Seite unserer Unterkunft nähern.

Chalet, Rhino Safari Camp
Chalet, Rhino Safari Camp

Der Uferbereich ist unverwechselbar, es ist ein Wald aus abgestorbenen Bäumen. Sie ertranken vor mehr als fünfzig Jahren.

Der ertrunkene Wald am Ufer des Karbasees
Der ertrunkene Wald am Ufer des Karbasees

2018 war der Karibasee noch zu 87 Prozent gefüllt, jetzt, ein Jahr später, sind es nur noch 20 Prozent! Die letzte Regenzeit hat nur spärlichen Niederschlag geracht.

Abgestorbene Bäume im Karibasee
Abgestorbene Bäume im Karibasee

Wir gehen auf Bootstour um Flusspferde zu fotografieren. Die Tiere mit dem fassförmigen Körper sind keineswegs mit Pferden verwandt, ihre nächsten Verwandten sind Wale. Ihre Haut ist empfindlich gegen Sonne, daher verbringen die Tiere die meiste Zeit des Tages im Wasser. Hier sind sie auch sicher vor Feinden. An Land können ihnen Raubtiere wie Löwen und Leoparden gefährlich werden. Wir sehen ein großes Tier mit vielen Narben auf dem Rücken; diese stammen wahrscheinlich vom Angriff einer Großkatze.

Flusspferd mit Narben eines Raubkatzenangriffs auf dem Rücken
Flusspferd mit Narben eines Raubkatzenangriffs auf dem Rücken

Flusspferde sind in erster Linie Pflanzenfresser, wobei sie Gräser bevorzugen. Wasserpflanzen fressen sie selten. Nachts, wenn es kühler ist und die Sonne ihrer empfindlichen Haut nicht schaden kann, gehen sie an Land um zu weiden. Das macht sie zu Konkurrenten der Menschen, die in Ufernähe ihre Felder bestellen. Der Verlust des Lebensraumes ist daher die stärkeste Bedrohung; Flusspferde gelten laut IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) als stark gefährdete Tierart.

Flusspferde bei Sonnenuntergang
Flusspferde bei Sonnenuntergang

Das Gebiss ist beeindruckend und genau dafür gemacht: es soll Eindruck schinden. Die Schneide- und Eckzähne wachsen ein Leben lang nach und können auf eine Länge von 30 sichtbaren Zentimetern kommen (und weiteren 40 Zentimetern im Zahnfleisch). Den Kiefer können die Tiere bis auf etwa 150 Grad aufreißen. Dieses „Gähnen“ ist eine Drohgebärde, gegenüber männlichen Rivalen, tierischen Feinden und Menschen, die zu nah herankommen.

Drohgebärde eines Flusspferdes
Drohgebärde eines Flusspferdes

Die anderen Gäste sind passionierte Angler. Sie sind auf der Jagd nach dem Riesen-Tigersalmler, auch Tigerfisch genannt. Der Tigerfisch gehört zu den stärksten Süßwasserfischen. Er ist ein guter Speisefisch, aber auf Grund seines Kampfgeistes nicht so leicht zu fangen. Ganz oft schafft es der Fisch, den Köder zu fressen und vom Haken zurück in die Freiheit zu springen. Manchmal allerdings auch nicht.

Tigersalmler
Tigersalmler

Kommerziell wird im See nach tansanischen Sardinen gefischt, sie wurden dort ausgesetzt. In Simbabwe wird die Fischlizenz pro Schiff vergeben in Sambia pro Betreiber. Die sambische Flotte ist etwa drei Mal so groß wie die simbabwische. Etwa 2000 Boote sind nachts unterwegs. Mit Generatoren wird Licht erzeugt; dieses lockt die Fische an. Ein unheimlicher Anblick des Nachts – zunächst überlege ich welche Großstadt wohl am anderen Ufer liegen mag, doch die Lichter stammen ausschließlich von den Fischern.

Nächtliche Fischer auf dem Karibasee
Nächtliche Fischer auf dem Karibasee

An der Vogeltränke

Am nächsten Morgen gehen die anderen auf Entdeckungstour mit dem offenen Safarifahrzeug und auf Walkingsafari. Ich bleibe im Camp. Schon am Tag zuvor hatte ich die kleine Vogeltränke entdeckt. Ich nehme einen Safaristuhl und platziere mich mit meinem schussbereiten Teleobjektiv im Schatten unter einem Baum. Zum Baden sind die kleinen Becken natürlich auch geeignet. Den ganzen Morgen herrscht hier reger Andrang. Auf den umliegenden Ästen sammeln sich die Vögel; sie warten geduldig bis das Becken frei ist und sie an der Reihe sind. Nach dem Bad wird das Gefieder ausgiebig geputzt. Besonders augenfällig ist der Blauastrild (Uraeginthus angolensis) auch Angola-Schmetterlingsfink genannt.

Blauastrild (Uraeginthus angolensis), auch Angola-Schmetterlingsfink

Etliche Bülbüls wie Grau- und Gelbbauchbülbül (Chlorocichla flaviventris) kommen zum Baden und schauen ob sie noch ein paar Körner finden, die Peter für sie ausgestreut hat. Bülbüls ernähren sich von Beeren und Samen. Werden die Vögel bedroht, rotten sie sich zusammen und vertreiben den Feind mit Scheinangriffen und lauten Rufen.

Gaubülbül (Pycnonotus barbatus)
Gaubülbül (Pycnonotus barbatus)

Der Maskenpirol ist eine häufig vorkommende Art und gilt als nicht gefährdet. Er verfügt über ein außergewöhnlich breites Repertoire an Lauten: So kann er andere Vogelarten gut imitieren, wie zum Beispiel Greifvögel und den Goldrückenspecht.

Hinter mir im Baum klopft und hämmert ein Goldschwanzspecht (Campethera abingoni). Er ist etwa so groß wie ein Buntspecht und zählt zu den häufigsten Spechten im südlichen Afrika. Er hat es vor allem auf baumbewohnende Ameisen abgesehen.

Nur während der Brutzeit haben die Männchen des Scharlachwebers (Anaplectes rubriceps) einen scharlachroten Kopf. Außerhalb dieser Zeit haben beide Geschlechter ein zitronengelbes Kopfgefieder.

Schwarzmantel-Schneeballwürger (Dryoscopus cubla) gehört zu den Rabenvögeln und ernährt sich in erster Linie von Gliederfüßern, Spinnentieren und Insekten.

Schwarzmantel-Schneeballwürger (Dryoscopus cubla)
Schwarzmantel-Schneeballwürger (Dryoscopus cubla)

Abendsafari am Ufer des Karibasees

Am letzten Abend fahren wir zum Sundowner nochmals mit dem Safariwagen ans Seeufer und schauen den Elefanten beim Fressen zu. Sie ernähren sich hier vom Torpedogras. Mit ihrem Rüssel greifen sie ein einzelnes Büschel, treten es mit einem Fuß los, schlagen die Erde ab und verspeisen es. Pflänzchen für Pflänzchen.

Elefant bei der Mahlzeit
Elefant bei der Mahlzeit

Oft steht ein Reiher zu ihren Füßen. Der Vogel hat es auf Würmer und Insekten abgesehen, die zum Vorschein kommen könnten.

Reiher zu Füßen eines Elefanten
Reiher zu Füßen eines Elefanten

Mein persönliches Fazit nach drei Nächten im Rhino Safari Camp: Ich wäre gern noch geblieben! Es ist ein außergewöhnlicher, ein besonderer Ort. Vom Boot aus lassen sich viele Wasservögel und Flusspferde hautnah beobachten, die Safaris mit dem Auto mit dem äußerst umsichtigen, ruhigen Mark zu Elefanten, Impalas, Wasserböcken sind einzigartig. Er kennt das Verhalten von Wildtieren wie kaum ein anderer. Hinzu kommen die von Peter geführten Spaziergänge durch den lichten Mopanewald. Peter ist ein ausgesprochen versierter Ornithologe und Leiter des Camps.

Abendsafari mit dem Boot, Matusadona Nationalpark
Abendsafari mit dem Boot, Matusadona Nationalpark

Für Nachahmer

Wir haben unsere Reise als Privatreise über Wigwam-Tours organisieren lassen und waren mehr als 100% mit der Organisation und dem Preis/Leistungsverhältnis zufrieden.

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Sonnenuntergang im Matusadona Nationalpark am Karibasee
Sonnenuntergang im Matusadona Nationalpark am Karibasee