Ruhig und gemächlich fließt er in seinem breiten Bett dahin, der viertlängste Fluss Afrikas: der Sambesi. An seinen Ufern tummeln sich zahlreiche Wasservögel, an den Stränden liegen dösend Nilkrokodile aller Größen; im Wasser ruhen Flusspferde. Eine Elefantenfamilie quert den Fluss. Dass der Sambesi die Grenze zwischen Sambia und Simbabwe bildet wissen sie nicht. Es würde sie auch nicht stören.
Mit der Ruhe und Gemütlichkeit ist es kurze Zeit später abrupt vorbei. Ein Graben von fast 1,7 Kilometern Länge und bis zu 108 Metern Tiefe tut sich auf. Eine Schlucht von nur 20 Metern Breite. Ungebremst stürzt das Wasser mit lautem Getöse in die Tiefe.
Jetzt, im September, ist Trockenzeit. Es hat seit Monaten nicht geregnet, der Sambesi führt extrem wenig Wasser – spektakulär ist die Aussicht trotzdem. Besonders von oben. Ein zwanzigminütiger Hubschrauberflug schmälert unsere Urlaubskasse gleich am ersten Tag um 250,- USD, aber die Vogelperspektive ist ihren Preis wert! Nur von oben kannst Du das gesamte Ausmaß erfassen. Fotografen sollten einen der frühen Morgenflüge wählen, dann ist das Licht noch angenehm weich und klar; weder Staub noch Gischt vernebeln den Blick. Flüge mit einem Ultraleichtflugzeug werden auch angeboten. Gewiss ein ganz besonderes Erlebnis; hier ist Fotografieren jedoch nicht gestattet (auch nicht mit dem Handy).
Wir sind bei den Victoriafällen. Die Victoriafälle gelten als die größten zusammenhängenden Wasserfälle der Welt. Sie gehören zum Weltnaturerbe der UNSECO. David Livingstone, der schottische Afrikaforscher, sah diese gigantischen Wasserfälle im Jahr 1855 als erster Europäer – und benannte sie nach seiner Königin Victoria. Der dort lebende Kololo-Stamm hatte den Wasserfällen einen treffenderen Namen gegeben: Mosi-oa-Tunya. Das heißt so viel wie „donnernder Rauch“. Nach der Regenzeit (April/Mai) ist der Wasserstand am höchsten. Dann stürzen pro Minute bis zu 546 Millionen Kubikmeter Wasser in die Schlucht. Die Gischt spritzt bis zu 300 Meter hoch und kann noch aus 30 Kilometern Entfernung gesehen werden.
Wie den Sambesi teilen sich die Staaten Sambia und Simbabwe auch die Victoriafälle. Die sambische Seite ist vom neuen Kilometer entfernten Livingstone für 10-12 USD mit dem Taxi zu erreichen. Der Eintritt in den Victoriafalls-Park kostet 20 USD pro Person und pro Besuch. Tageskarten gibt es nicht. Restaurants gibt es im Park ebenfalls nicht; wahrscheinlich soll verhindert werden, dass die hier lebenden Paviane gefüttert werden. Trinkwasser und Regencapes kannst Du innerhalb des Parks kaufen.
Victoria-Fälle, Sambia
Insgesamt vier Wege können abgelaufen werden. Der erste Richtung Devil’s-Pool, der zweite an der Abbruchkante, der dritte geht hinunter ins Tal mit Blick auf die Victoria Fall’s Bridge und der vierte wird als Photografic-Way bezeichnet. Dieser läuft am oberen Ende, parallel zur Straße bis direkt an die Victoria Fall’s Bridge. Begrüßt werden die Besucher von der Statue David Livingstones. Wir laufen zunächst ein Stück Richtung Devil’s Pool – die Aussicht ist eher mäßig und in der Trockenzeit unspektakulär. Wer allerdings bis zum Devil’s-Pool laufen möchte, ist hier richtig. Direkt an der Abbruchkante gibt es dort ein kleines natürliches Becken in dem besonders Mutige baden können. Doch auch bei niedrigem Wasserstand ist es gefährlich, wer von der Strömung erwischt wird fällt 110 Meter tief.
Zum Sonnenuntergang – kurz vor Schließung des Parks – lohnt es sich, diesen Weg bis zur ersten Aussichtsplattform zu gehen. (Diese ist nur wenige Meter vom Ausgang entfernt).
Tagsüber ist der zweite Weg interessanter. Er führt direkt an der Abbruchkante entlang. Auf der gegenüber liegenden Seite stürzen die Wassermassen des Sambesi hinab – nach der Regenzeit. In der Trockenzeit tröpfeln an den Felsen ein paar armselige Rinnsale das Gestein hinab.
Wir überqueren eine Brücke, die in der wasserreichen Zeit komplett mit Gischt eingehüllt sein soll. Ich habe Fotos gesehen. Wer außerhalb der Trockenzeit hier ist, benötigt einen Regencape um nicht bis auf die Haut nass zu werden. Heute sind wir weit davon entfernt. Es ist staubtrocken. In einiger Entfernung stürzt etwas mehr Wasser den Fels hinab – dort sind die eigentlichen Fälle – auf der sambesischen Seite.
Wir laufen den gut befestigten Rundweg weiter und haben etliche schöne Blicke auf die Victoria Fall’s Bridge. Diese Brücke ist eng mit einem Mann verbunden, dieser ist wiederum untrennbar mit beiden Ländern verbunden: Cecil John Rhodes (1852-1902). Der in Großbritannien geborene Minenbesitzer und Politiker gründete 1895 den Staat Rhodesien. Dieser Staat teilte sich in Nord- und Südrhodesien auf mit dem Sambesi als natürliche Grenze. Cecil Rhodes hatte einen Traum. Er wollte Kapstadt und Kairo mit einer Eisenbahnlinie verbinden. Der Sambesi musste dabei überwunden werden. Bereits im Jahr 1900 gab er den Auftrag für den Bau einer Brücke. Die Planung übernahmen George Hobson und Sir Douglas Fox & Partner. Wie transportierte man vor mehr als 100 Jahren Baumaterial über diese Schlucht? Mit einer Seilbahn. Mit ihr gelangten Konstruktionsteile, Gleise und sogar eine Lokomotive in Einzelteilen von der einen Seite auf die andere. Im Oktober 1904 wurden die Fundamente fertig; 11 Monate später wurde die damals höchste Brücke der Welt offiziell eingeweiht! (Ein kleiner Angestellter von Fox & Partner, Sir Ralph Freeman, war viele Jahre später an der Konstruktion der Sydney Harbour Bridge beteiligt)
Den Weg hinab ins Tal, zur Ansicht der Brücke von unten, sparen wir uns. Wer 110 Meter in die Tiefe läuft muss auch wieder hoch und gerade ist es heiß und windstill. Das ist eher etwas für morgens wenn die Sonne noch nicht so hoch steht. Wir laufen stattdessen den Photographic Way. Dieser führt meist durch schattigen Wald parallel zur Straße nach Simbabwe und parallel zur Abbruchkante. Von Weitem blicken wir auf die Fälle der sambischen Seite und treffen unterwegs auf eine friedliche Familie Paviane.
Maramba River Lodge
Aus Nordrhodesien wurde Sambia (1964) aus Südrhodesien Simbabwe (1980). Wir haben lange hin und her überlegt in welchem der Staaten wir übernachten sollen. Vic Falls auf der Simbabwe-Seite lebt einzig vom Tourismus. Hier gibt es eine große Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten aller Preisklassen. Livingstone hingegen auf der sambischen Seite, liegt ein paar Kilometer von den Wasserfällen entfernt und ist gewachsener Ort, der auch aber nicht nur vom Tourismus lebt. Wir entschieden uns für die Maramba River Lodge auf der sambischen Seite, drei Kilometer von Zentrum Livingstons entfernt. Die Lodge ist von einem weitläufigen Park umgeben. Die Unterkünfte – vom eigenen Zelt bis zum Luxus-Chalet – befinden sich weit voneinander entfernt unter Bäumen. Bar und Restaurant hingegen liegen direkt am Maramba River, der kurze Zeit darauf in den Sambesi mündet. Es ist ein wunderbarer Ort um in Afrika anzukommen.
Der erste Morgen nach der ersten Nacht im Safarizelt. Trotz der ungewohnten Geräusche habe ich sehr gut geschlafen. Tagsüber ist es angenehm warm bis heiß, nachts wird es jedoch relativ kühl – zum Schlafen hervorragend. Zum Frühstück setzen wir uns auf die Terrasse mit Blick auf den Maramba River. Ich wärme meine Hände am ersten Pott Kaffee. Plötzlich springt der junge Mann am Nachbartisch auf: Elefanten! Dort, am anderen Flussufer. Ich sehe nichts außer grünem Buschwerk.
Doch, es ist eine ganze Herde! Eines der Tiere hat großes Interesse an den Früchten der Makalanipalme. Mit dem Kopf rüttelt der Elefant kräftig am Stamm, der ganze Baum schaukelt hin und her und wir hören die etwa 60 mm durchmessenden runden Früchte fallen. Bis zu 2000 Früchte kann eine einzige Palme tragen, lese ich. Die Früchte sind begehrtes Elefantenfutter. Später kommen noch einige Flusspferde vorbei und im mit Wasserhyazinthen bewachsenen Wasser sehen wir ein Nilkrokodil. Im Baum neben unserem Safarizelt hat sich ein Paar Sperlingskäuze niedergelassen, eine Echse läuft den Baum hoch, ein Burchellkuckuck fliegt vorbei und in der Baumkrone labt sich ein Grautoko. Müssen wir noch woanders hin? Hier gibt es schon richtig viel zu sehen!
Victoria-Fälle, Simbabwe
Doch natürlich bleiben wir nicht nur in der Maramba Lodge. Wir sind ja in erster Linie wegen der Victoriafälle gekommen. Nachdem wir die sambische Seite kennengelernt haben, möchten wir auch auf die simbabwische Seite. Wir lassen uns für den üblichen 10 USD-Tarif mit dem Taxi zur Grenze bringen. Die Ausreise geht zügig ohne Wartezeit. Stempel in den Pass und fertig. Wir hatten bereits bei unserer Ankunft am Flughafen in Lusaka (Sambia) ein so genanntes KAZA-Visum bekommen. Das KAZA-Visum kostet 50 USD und ist ein Kombivisum für mehrmalige Einreisen nach Sambia, Simbabwe, Angola, Botswana und Namibia (Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area). Es soll Touristen das einfache Hin- und Herreisen zwischen den genannten Ländern ermöglichen. (Aktuelle Infos unter: https://www.zambiaimmigration.gov.zm/kaza-univisa/) . Wir laufen die staubige Straße entlang. Gesäumt wird sie von einer langen Warteschlange mit LKWs. Sie sind im Wesentlichen mit Kupferbrammen beladen die zur Weiterverarbeitung in Südafrika bestimmt sind.
Nach einem guten Kilometer stehen wir auf der Brücke, die wir gestern von Weitem sahen: Die Victoria Falls Bridge. Sie wurde 1930 verbreitert, trotzdem ist sie für Fahrzeuge nur als Einbahnstraße befahrbar. Sie wird auch heute noch für den LKW-Warenverkehr genutzt.
Das meiste Geld wird jedoch mit Sprüngen in die Tiefe erwirtschaftet: Mit Bungy-Jumping. Daneben wird noch der Gorge-Slide angeboten – schwungsvolles Gleiten über die Schlucht. Hoch über dem Wasser kontrolliert ein Arbeiter am frühen Morgen noch die Seile.
Nachdem wir die Brücke überquert haben kommt die Einreisekontrolle auf der sambischen Seite. Auch hier können wir ohne nennenswerte Wartezeit durchmarschieren. Wenige Meter hinter der Grenze ist der Eingang zum Victoria Fall’s Nationalpark.
Das Terrain auf der simbabwischen Seite ist weitläufiger und aussichtsreicher als die sambische Seite. Der Eintritt kostet satte 30 USD pro Kopf und Besuch. Auch hier gibt es keine Tageskarten. Die Zahlung ist mit Kreditkarte möglich. Im Eingangsbereich gibt es einen Souvenirladen, ein Restaurant und Toiletten. Entlang der Abbruchkante gibt es etwa neun verschiedene Aussichtspunkte – einer spektakulärer als der andere. Wir laufen zunächst nach links zum so genannten Devil’s Cataract. Dieser Wasserfall ist nur 62 Meter hoch, aber er führt das ganze Jahr hindurch Wasser.
Vom Devil’s Cataract wandern wir durch dichten Mopane und Miombowald von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt. Durch die ständige Wasserberieselung durch die Gischt der Victoriafälle, hat sich auf dieser Seite ein schöner tropischer Regenwald gebildet. An manchen Stellen brauchen wir sogar in der Trockenzeit noch einen Regenschutz! Wir bleiben den ganzen Tag hier, nutzen das Restaurant für einen Mittagsimbiss und drehen nachmittags dieselbe Runde noch einmal – jetzt in anderem Licht. Zum Fotografieren sind wahrscheinlich die Monate Juni und Juli am besten. Dann führen die Fälle noch viel Wasser, sind aber nicht so vernebelt wie direkt nach der Regenzeit. Unser Weg zurück nach Sambia verläuft genauso unkompliziert wie der Hinweg.
Sunset Cruise
Was gibt es sonst noch, außer den Victoriafällen? Natürlich eine Fahrt auf dem Sambesi bevor er in die Tiefe stürzt! Am besten zum Sonnenuntergang. Dann ist das Licht am schönsten, die Tiere an den Ufern sind agil und ja, es gibt natürlich einen Sundowner. Der Sundowner ist ein alkoholisches Getränk, das zum Sonnenuntergang eingenommen wird. In Sambia und Simbabwe vorzugsweise ein Gin-Tonic. Laut Wikipedia kommt der Gin Tonic „wahrscheinlich aus dem British Empire, als in Indien zum Schutz vor Malaria das chininhaltige, damals sehr bittere Indian Tonic Water getrunken wurde, welches zugefügter Gin geschmacklich verbesserte.“ Bei den in der Unterkunft buchbaren Sunset Cruises können wir zwischen zwei unterschiedlichen Touren wählen: die preisgünstige mit einem großen Schiff und 200 anderen, die teure mit einem kleinen Boot mit maximal 12 Passagieren. Wir möchten weder Party noch Disco; wir wollen Tiere beobachten und Ruhe haben. Daher entscheiden wir uns für die teuere Variante mit dem kleinen Motorboot.
Eine goldrichtige Entscheidung. Wir kommen hautnah an Flusspferde und Elefanten, aber vor allem auch an Eisvögel, Schlangenhalsvogel, Schwarzmilan, Karminspint und Mohrenklaffschnabel. Wir sind so begeistert, dass wir am nächsten Abend noch eine Tour buchen.
Wer noch etwas zeit hat, sollte sich in jedem Fall das Eisenbahnmuseum in Livingstone ansehen. In Deutschland würden wir die drei Kilometer locker laufen, aber hier kommt es nicht in Frage: Wir müssten durch das Terrain von Elefanten und Pavianen – denen möchten wir nicht zu Fuß begegnen. So fahren wir wie immer mit dem Taxi. Das Eisenbahnmuseum ist in einem ehemaligen Sägewerk untergebracht. Die Eisenbahnstrecke von Kapstadt nach Sambia wurde in erster Linie für den Güterverkehr gebaut. Holz gehörte zu den Hauptexportgütern; da wundert es nicht, dass das 1916 gegründete Sägewerk gleichzeitig die Eisenbahngesellschaft Zambeszi Sawmills Railways war. Für den Güterverkehr spielt die Bahn heute keine Rolle mehr. Die Lokomotiven stehen im Museum und mit ihnen ein Luxuszug mit Leder gepolsterten Bänken, Holztransportwaggons und ein schwerer Kranwagen. Wer’s noch genauer wissen möchte schaut am besten auf die Webseite von Jan Ford: http://janfordsworld.blogspot.de/2012/03/livingstone-railway-museum-zambia.html).