Sao Miguel – die größte Insel der Azoren

Mein erster Eindruck bei unserer Ankunft auf Sao Miguel: Wie auf den Marquesas, nur 10 Grad kühler. Satt grün bewaldet und schroffe Hügel. Eine wunderbare Wanderinsel und genau deswegen sind wir hergekommen.

Blick auf Furnas
Blick auf Furnas

Wir marschieren unsere 10-15 Kilometer täglich. Nur manchmal sind es weniger, wenn zum Beispiel am Anfang der geplant fünfstündigen Wanderung zwei vor 50 Jahren stillgelegte Wasserkraftwerke frei zugänglich im Wald stehen. Da brauchen wir dann für zwei Kilometer Weg zwei Stunden und aus der Wanderung wird eine Fotosession zur Ästhetik des Verfalls.

Meist steht am Nachmittag auch der Besuch eines Cafes auf dem Plan – die Kuchen hier sind hausgemacht und immer lecker. Allerdings musste ich erst lernen was süß und was herzhaft ist. Was exakt wie eine Apfeltasche aussieht ist meist herzhaft mit Huhn und Käse gefüllt. Garantiert Süßes findest Du im O Chocolatinho in Ribeira Grande. Der Karamell-Cheese-Cake ist kaum zu toppen.

Karamell-Cheese-Cake
Karamell-Cheese-Cake

Sao Miguel ist die vulkanisch Aktivste und die Größte der Azoreninseln. Sie ist 63,7 km lang und 16,1 km breit. Wir bleiben acht Tage und verteilen die Zeit auf zwei Standorte: Ribeira Grande und Furnas. Wir beginnen unsere Reise in Furnas.

Furnas

Kirche in Furnas

Am Rande des Ortes qualmt und blubbert es direkt aus der Erde. Der Geruch ist ziemlich unangenehm, es stinkt nach faulen Eiern, der Rauch beißt in den Augen.

Fumarolen bei Furnas
Fumarolen bei Furnas

Der Katze scheint das nichts auszumachen, sie genießt offensichtlich die Wärme.
Der Katze scheinen Qualm und Gestank nichts auszumachen, sie genießt offensichtlich die Wärme.

Der Cozido – im Erdloch gegart

In Furnas gibt es einen ganz besonderen Eintopf, den es nur hier an diesem Ort gibt: der Cozido. In einen großen Topf werden Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch, Blutwurst, Kartoffeln, Yams und Kohl gegeben. Das Ganze wird mit Wasser aufgefüllt, fest verschlossen und in eine Decke eingeschlagen. Der Topf wird dann in einem Erdloch am Lagoa das Furnas für einige Stunden versenkt und gegen Mittag wieder gehoben.

Geschlossenes Erdloch mit Cozido.
Geschlossenes Erdloch mit Cozido
Cozido wird gehoben und zum Restaurant gebracht
Cozido wird gehoben und zum Restaurant gebracht

Die freigesetzten Mineralstoffe des heißen Dampfes verleihen dem Eintopf eine ganz besondere Note. Wer dieses Gericht kosten möchte reserviert einen Tisch bei Tonys. Eine Reservierung empfehle ich dringend – es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Cozido-Portionen.

Parque Terra Nostra

Ein weiteres Highlight in Furnas ist der Parque Terra Nostra. Er zählt zu den schönsten Parkanlagen der Azoren. Wer ihn besucht, sollte sich zwei bis drei Stunden Zeit nehmen und auch das Badezeug mitnehmen: Es gibt ein ordentliches teichartiges Schwimmbecken mit schlammbraunem Wasser. Das Wasser hat eine Badewannentemperatur von konstant 38 Grad Celsius.

Pool im Terra Nostra Garden
Pool im Terra Nostra Garden

Der Rest des Parks ist ein wunderbarer botanischer Garten mit exotischen Bäumen und Pflanzen aus aller Welt. Der mit Orangenhandel reich gewordene Kaufmann Thomas Hickling hatte sich hier 1780 ein Sommerhaus errichtet und ließ den Park mit allerlei Gewächsen bepflanzen. Über die Jahrhunderte wurden die Gebäude und die Parkanlage kontinuierlich erweitert. Letztere umfasst heute 12 Hektar mit etwa 2500 zum Teil sehr stattlichen Bäumen. Park und Pool sind im Besitz des Hotels Terra Nostra Garden, aber zum Glück auch für Nichthotelgäste zugänglich.

Die Teeplantage Cha Gorreana

Das 1883 von Ermelinda Pacheco Gago da Câmara gegründete Unternehmen ist nach wie vor ein Familienbetrieb. Das feuchte und regnerische Klima, die milden Temperaturen sowie der saure und vulkanische Boden ermöglichen die Erzeugung von grünem und schwarzem Tee von hoher Qualität, so das Unternehmen.

Cha Gorreana

Es gibt in ganz Europa genau drei Teeplantagen: zwei auf Sao Miguel und eine in Truro (Cornwall). Gorreana-Tee wird ohne den Einsatz von Herbiziden, Pestiziden, Fungiziden, Farb- und Konservierungsstoffen angebaut, verarbeitet und von April bis Oktober geerntet.

Die Plantagen von Gorreana erstrecken sich derzeit über eine Fläche von 32 Hektar. Auf dem etwa drei Kilometer langen gut markierten Wanderweg laufen wir durch die Plantage und schauen den Arbeiter:innen bei der Ernte zu. Außerdem dürfen sich Besucher:innen den Herstellungsprozess anschauen – mit oder ohne Führung. Ein schöner Ort, auch an einem regnerischen Tag.

Teeplantage Cha Gorreana

Der Lagoa do Fogo und Janela do Inferno

Es ist trocken, aber die Wolken hängen tief. Wir wollen von unserem zweiten Übernachtungsort Ribeira Grande zur Janela do Inferno bei Remedios. Die Straße über den Lagoa do Fogo führt direkt dorthin. Unser Navi will partout nicht diesen Weg fahren, obwohl es der Kürzeste ist … Wir wundern uns, vertrauen aber einfach auf unsere old school Papierstraßenkarte und fahren. Auf halber Strecke bergauf sehen wir große Schilder: Von 9-19 Uhr für Mietwagen gesperrt, man solle einen Shuttlebus nehmen! Es ist Juni und offensichtlich schon Hochsaison. Zum Glück sind wir früh dran, es ist gerade mal acht Uhr. Auf dem Parkplatz am Lagoa do Fogo ist schon ein Aufpasser, aber noch dürfen wir hier parken. Wir erhaschen einen schönen Blick in den Krater und auf den See, aber die Wolken wabern schon über die Kraterwände.

Lagoa do Fogo

Ein Stück höher und sehen wir außer einer grauen Wand nichts mehr. Natürlich machen wir Fotos, der Nebel hat ja seinen Reiz.

Straße oberhalb des Lagoa do Fogo

Dann geht es bergab nach Remedios. Hier steht tatsächlich ein Shuttlebus und ein Polizist, der die Straße sperrt. Glück gehabt. Wir wollen loslaufen, doch der Blick auf die große Wanderkarte am Parkplatz von Remedios verheißt nichts Gutes: Der Wanderweg ist zurzeit gesperrt. Wir haben aber keinen Plan B, es ist unser letzter Tag auf den Azoren. Also laufen wir einfach los – der Weg ist nur siebeneinhalb Kilometer lang, im Notfall kehren wir einfach um. Wir laufen auf einem breiten Erdweg zwischen Feldern

Weg zur Janela do Inferno

bis wir unvermittelt vor dem ersten Tunnel stehen. Es ist der 50 Meter lange Tunel da Grota. Dieser ist gemauert, der Boden ist sehr schlammig. Ich lasse vorsichtshalber meinen Mann vorgehen.

Tunneleingang zur Janela do Inferno

Der Tunnel ist passierbar, die Hose wird etwas dreckig, aber immerhin können wir wie Menschen aufrecht durch den Tunnel gehen.

Tunnel, Wanderweg nach Janela do Inferno

Nach dem Tunnel sind wir in einer anderen Welt. Dichtes Buschwerk umgibt uns. Es ist so dunkel, dass ich mit ISO 12800 fotografieren muss. Ab hier ist der Weg ein Pfad.

Weg zur Janela do Inferno

Im Rother-Wanderführer steht: „Ein dichtes Leitungsnetz durchzieht das Tal des Ribeira Seca und speiste einst die Alkoholfabrik von Lagoa“. Bald kommt ein altes Wasserhaus und ein Aquädukt mit zwei Rohrleitungen. Hier müssen wir rüber. Alles ist gesichert mit einem etwas wackeligen Geländer, aber in Ordnung.

Als wir fast bei der Jamela do Inferno – dem Fenster zur Hölle – sind, geht es nicht weiter. Die kleine Holzbrücke ist weggebrochen und kurz dahinter ist der gesamte Hang abgerutscht. Eine große Erdlawine versperrt das Tal, Bäume liegen kreuz und quer. Da ist kein Durchkommen. Dort wäre unser Weg gewesen!

Weg zur Janela do Inferno

Wir gehen ein kurzes Stück zurück und laufen über einen ziemlich hohen Aquädukt der eigentlich gesperrt ist. Wir laufen einzeln rüber.

Weg zur Janela do Inferno
Tunnel zur Janela do Inferno

Es folgen ein paar ausgesetzte Stellen im Weg, aber es geht. Richtig wohl ist mir dabei nicht – der Hang könnte schließlich auch noch abrutschen. Es kommt ein kurzer unspektakulärer Tunnel und kurze Zeit drauf der Tunel do Pico da Cova.

Dieser Tunnel ist 70 Meter lang und nur 1,20 Meter hoch. Also müssen wir mit gebeugtem Rücken durchgehen. Ist aber kein Problem. Später müssen wir noch über etliche Stufen hinuter in ein Bachtal und an der gegenüberliegenden Seite wieder hoch. Im Bach liegt viel Plastik von ehemals eingewickelten Heuballen die die Wassermassen wohl mitgerissen haben. Danach geht es auf einem langweiligen Feldweg zurück zum Auto.

Während der gesamten Wanderung regnet es mal mehr, mal weniger. Unser Mittagspicknick nehmen wir am kleinen Picknickplatz am Parkplatz ein. Der Picknickbereich ist überdacht – saubere Toiletten gibt es auch.

Weg zur Janela do Inferno

Sete Cidades

Jeder Besucher und jede Besucherin fährt mindestens ein Mal hierher: Die Sete Cidades am westlichen Ende von Sao Miguel. Wir gehören natürlich auch dazu – nur leider liegen die Berge heute mal wieder hinter Wolken, das heißt die grandiose Aussicht, wie sie in jedem Reiseführer beschrieben wird, ist uns durch eine dichte Nebelwand verwehrt.

Aussicht vom  Miradouro Lomba do Vasco

Aber egal. Wir stellen das Auto auf dem Parkplatz des Miradouro Lomba do Vasco oberhalb des Ortes Sete Cidades ab und laufen auf einem Wirtschaftsweg hinab ins Tal zum Lagoa Azul. Hinab ist wieder mal wörtlich und direkt gemeint. Steil. Richtig steil. Ich fluche, denn meine Knie sind nicht mehr die jüngsten, aber es hilft nichts, zum Glück habe ich meine Wanderstöcke mitgenommen.

Wanderweg nach Sete Cidades

Am Lagoa Azul angekommen, sind wir unter der Wolke, das hat durchaus auch seinen Reiz. Touristisch wird hier viel angeboten: Von E-Biken-bis hin zu Kanutouren.

Lagoa Azul

Wir machen nichts dergleichen, sondern marschieren direkt in den Wald hinein und auf einem ausgewaschenen Weg wieder den Berg hinauf. Ist ja auch klar, wer sein Auto auf dem Berg parkt und dann runtergeht, muss irgendwann wieder hoch. Auf diesem Weg sind wir ziemlich allein. Doch kurz bevor wir den höchsten Punkt erreichen, blicken wir zurück auf den Lago do Azul. 550 Meter über Null blicken wir in die riesige Caldera mit 12 Kilometer Umfang.

Aussicht auf den Lagoa Azul

Kaum haben wir den Bergkamm erreicht, steppt der Bär. Auf dem kleinen Parkplatz am Miradouro Vista do Rei prügeln sich die Besucher fast um die wenigen Parkplätze. Hier darf man nur zwanzig Minuten parken – damit jeder kurz die Aussicht genießen kann. Wir hingegen machen bei diesem Miradouro unser Mittagspicknick. Mittlerweile sind die Wolken höher gestiegen und hinter der Kraterwand am anderen Ende ist das Meer zu sehen.

Beim Aussichtspunkt Vista do Rei

Die restlichen paar Wanderkilometer führen auf dem Grat der Kraterwand entlang auf einem breiten Weg zurück zum Parkplatz.

Aussicht auf den Lagoa Azul

Anmerkung: Alle Links sind meine ganz persönlichen Empfehlungen, weil es mir außerordentlich gefallen hat. Ich bekomme kein Geld dafür.