Französisch Polynesien: Die Marquesas

Nuku Hiva

Es sieht aus wie im Schwarzwald. Schroffe, steile Berge mit Nadelhölzern bewachsen und sattgrüne Wiesen im Tal. Und dafür bin ich um die halbe Welt geflogen! 16000 Kilometer. Etwas ist jedoch anders. Nachdem die 1000 Meter hohen Berge passiert sind, sehe ich das Meer. Das schaffe ich vom Schwarzwald aus nicht! Und der erste Blick auf die Bucht von Taiohae lässt mein Herz höher schlagen. Es ist die Hauptstadt der Inselgruppe der Marquesas und schon der Name erfordert einiges an Lippengymnastik: Taiohae. Ich wohne am westlichen Ende der Bucht im He’e Tai Inn mit riesigem, gepflegtem Garten, Terrasse und Blick auf’s Meer. „Bon Jour, Madame – Kao‘ha Nui“ werde ich von Rose begrüßt während sie mir eine dicke duftende Blumengirlande aus Frangipaniblüten um den Hals legt. Egal ob Fremder oder Familienmitglied – jeder Ankömmling wird so begrüßt, das ist Tradition. Rose Corser, eine amerikanische Lady, betreibt die 10 Zimmer umfassende Pension. Sie ist nicht nur bei allen Fragen eines Erstankömmlings behilflich sondern spricht auch fließend Englisch – eine Wohltat für mich. Die Inselgruppe gehört zu Französisch Polynesien, entsprechend ist die Amtssprache Französisch. Da beläuft sich mein Wortschatz auf etwa 20 Wörter.

Nuku Hiva

Ein Manko lerne ich in der ersten Nacht kennen: Die frei umherlaufenden verwilderten Hühner. Irgendwann wurden sie aus dem asiatischen Raum eingeführt und seitdem vermehren sie sich prächtig wie bei uns die Tauben. Besonders die Hähne sehen mit ihrem bunten Federkleid hübsch aus. Dummerweise haben diese Hühner ihre innere Uhr nicht an ihre derzeitige Umgebung angepasst. Gegen 2 Uhr morgens beginnt der Wettstreit: Das männliche Federvieh kreischt sich lautstark an. Kikerikiiiiii. Bis gegen 6 Uhr endlich die Sonne aufgeht. Dann ist Ruhe. Es dauert eine ganze Woche bis ich mich dran gewöhnt habe und nicht mehr von den Viechern geweckt werde.Stolzer HahnTaiohae ist die Hauptstadt der Marquesas und mit etwa 1700 Einwohnern einer der größten Orte der Inselgruppe. Hier gibt es ein paar Supermärkte, eine Bank, einige Restaurants. In dieser wunderschönen Bucht liegen verhältnismäßig viele Segelschiffe. Sie kommen aus aller Herren Länder. Die meisten gehören Aussteigern und Weltumseglern die jetzt – im Februar –  allesamt in dieser geschützten Bucht die Wirbelsturmsaison aussitzen. In zwei Monaten wollen die meisten von ihnen weitersegeln. Bei den Einheimischen hingegen ist Rudern Volkssport. Mit diesen Auslegerbooten fahren sie jeden Abend hinaus in die Bucht.Nuku Hiva

Ausflug zum Wasserfall Vaipupui

Mit sieben anderen Touristen aus Frankreich, Israel und Deutschland mache ich einen Ausflug. Wir fahren gut 40 Minuten mit einem Boot an der schroffen Felsküste entlang zur idyllischen Bucht von Hakaui mit schneeweißem Sandstrand. Am Strand sitzt ein wohl genährter Herr auf einer Kühlbox. Was bewacht er in seiner Kiste, möchten wir wissen. Er öffnet bereitwillig die Box und holt einen ziemlich dicken Fisch heraus. Mit seinem Kumpel hofft er, dass im Laufe des Tages ein Interessent in die Bucht kommt der noch etwas Leckeres für’s Abendessen benötigt. Auf der alten Dorfstraße machen wir uns auf den Weg. Wir sehen zwar keine Häuser, aber eine funktionsfähige Telefonzelle und eine Kapelle. Eine luftige Holzkonstruktion nur mit einem Dach gegen den Regen versehen mit einem wunderschönen Altar. Der Weg istNuku Hiva; Weg zum Wasserfall Vaipo zunächst breit und gut sichtbar, doch endet er im Flüsschen Vaipupui. Den müssen wir queren. Das macht nichts, das Wasser ist nicht kalt, wir sind sogar dankbar für die kleine Erfrischung. Danach gibt es nur noch einen Pfad, das Tal wird enger und hin und wieder erhaschen wir Ausblicke auf die schroffen Felsen der anderen Talseite. Wir sind am Ziel: der Wasserfall. Na ja. Okay er startet irgendwo 600 m über uns, das sehen wir nur nicht. Wunderbar erfrischend ist in jedem Fall das Bad im kleinen See und der Weg war das Ziel.

Auf der Rückfahrt nach Taiohae ist die See etwas stürmischer – aber kein Grund zur Beunruhigung. Die Vorfahren der heutigen Bewohner sind bei rauerer See ganz andere Strecken gefahren. Der amerikanische Archäologe Robert Suggs geht davon aus, dass die Marquesas zwischen 100 vor und 150 nach Chr. in mehreren Einwanderungswellen von Samoa oder Tonga aus besiedelt wurden. Die frühen Siedler leben vom Fischfang und vereinzeltem Ackerbau der um 1000 n.Chr. ausgeweitet wird. Taro und Yamswurzel, Brotfrucht und Kokosnuss gewinnen an Bedeutung. Die Bevölkerungszahl steigt und damit beginnt der Raubbau an wild lebenden Tieren wie Schildkröten, Land- und Seevögeln. Die Menschen besiedeln nun auch das Inselinnere. Sie fällen Bäume und legen Felder sowie Bewässerungssysteme an. In den tief eingeschnittenen Tälern entwickeln sich Stammesfürstentümer mit Häuptlingen an der Spitze. Das Zentrum einer Siedlung ist der tohua, ein großer Platz für Feste, Tänze und Zeremonien.Nuku Hiva, Tohua KouevaUm diesen Platz gruppieren sich zahlreiche steinerne Plattformen. Auf ihnen standen die Häuser aus Holz und Palmwedeln. Große Tempelplattformen so genannte me’ae werden errichtet. Auf ihnen stehen die Tiki. Tiki ist das marquesische Wort für „Figur“, aber auch der Name des polynesichen Schöpfergotts. Dieser Schöpfergott kopulierte mit einem Sandhaufen um den ersten Menschen zu erschaffen, daher wird er oft als Phallus dargestellt. Er ist auch der Gott der Holzschnitzer und Steinmetze.

Nuku Hiva, Kamuihei; Tahakia; TeiipokaHeute wächst auf dem Gelände Tohua Koueva ein riesiger Banyan Baum. Von den Hütten ist nichts mehr erhalten und die Originaltikis aller Inseln wurden von den Reisenden der letzten Jahrhunderte mitgenommen. Sie befinden sich jetzt in Museen in London, Paris und Berlin.

Geschichte der Inseln – Kurzfassung

Im 16. Jh. lebten etwa 35000 Menschen auf den Inseln, es können auch mehr gewesen sein, genaue Zahlen gibt es nicht. Häufig kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen um Land, um Ehre, um verletzte Tabus. Am 21. Juli 1595 landet der Spanier Alvaro de Mendaña de Neyra als erster Europäer auf Fatu Hiva. Er benennt die neue Inselgruppe nach dem damaligen Vizekönig von Peru: Las Islas Marquesas Don García Hurtado de Mendoza y Canete. Wer soll sich das merken? So wird daraus kurzerhand: Las Marquesas. Nach einer freundlichen Begrüßung und dem Austausch von Geschenken begehen die Inselbewohner einige kleinere Diebstähle. Bei dem anschließenden Gefecht werden acht Eingeborene getötet, darunter ein betagter Häuptling. De Mendaña segelt weiter nach Hiva Oa. Auch hier kommt es zu Konflikten – Fernandes de Quiros, einer der Kapitäne, schreibt dass insgesamt 200 Eingeborene getötet wurden. Die Spanier haben nicht so wirklich Interesse an den Marquesas. Die Inseln geraten in Vergessenheit (zumal ihre Positionsangabe ungenau ist). Erst 200 Jahre später kommt James Cook bei seiner zweiten Südseeexpedition (1774) auf die Marquesas. Einige Jahre später (1804) kommt Adam Johann von Krusenstern bei seiner Weltumseglung nach Nuku Hiva. Während seines zehntägigen Aufenthaltes beschäftigt er sich intensiv mit dem Alltag und den Bräuchen der Insulaner. Gegen Ende des 18. Jhs kommen Sandelholzhändler, Walfänger, Abenteurer und entlaufene Matrosen. Sie bringen bisher unbekannte Geschlechtskrankheiten, Feuerwaffen und Alkohol. Das soziale Gefüge der Inseln gerät aus dem Gleichgewicht. „Da waren die wilden Abenteurer, kleine Conquistadoren, die, im Besitz von Flinte und Munition, einen oder ein paar Talstämme beherrschten, die Eingeborenen in ihren Kriegen anführten und sie womöglich zur Strandpiraterie anstifteten. Sie waren der Schrecken der Missionare. Als ‚Erzieher‘ der Eingeborenen spendeten sie ihnen die Gabe des Kokospalmweines.“, schreibt der Mediziner und Ethnologe Karl von den Steinen. Karl von den Steinen hat das wichtigste Werk über die Kunst der Marquesaner herausgebracht. Durch seinen sechsmonatigen Aufenthalt konnte er – wie auch von Krusenstern – einen großen Teil des Wissens über die marquesische Tätorwierkunst festhalten. Protestantische Missionare hatten die Tätowierung untersagt. Ohne die Aufzeichnungen von Karl von den Steinen wären die kunstvollen Muster für immer verloren.

1838 kommt der Franzose Abel Aubert Dupetit-Thouars auf die Marquesas mit katholischen Missionaren im Schlepptau. 1842 kommt er zum zweiten Mal. Mittlerweile ist er Konteradmiral und nimmt die Marquesas als Kolonie für Frankreich in Besitz. Sklavenhändler verschleppen Insulaner nach Peru und Chile; die wenigen, die zurückkehren sind todkrank. Die haben die bis dahin unbekannten Pocken mitgebracht. 1907 gibt es auf den gesamten Marquesas nur noch 1500 Einwohner, alle anderen sind Pocken, Lepra und TB zum Opfer gefallen. Die katholischen Missionare verbieten mit Unterstützung der Regierung alles was nicht den christlichen Werten entspricht: Nacktheit, Tätowierung, Feste, Tänze, Blumenschmuck, Spielen der Bambusflöte und des Muschelhorns, die Sprache, Menschenopfer. Eben alles! Heute hat jedes noch so kleine Dorf eine Kirche, Tischgebet und  Kirchgang sind üblich. Aber der Glaube an die alten Schutzgeister, tiki als Wächter der Inseln haben immer noch Gültigkeit.Nuku Hiva, HatiheuHeute dürfen die Marquesaner wieder ihre alten Traditionen leben und Schulen tuen alles, um den Kindern die eigene Kultur und die marquesanische Sprache näher zu bringen. Marquesanisch ist eine Untergruppe der polynesichen Sprachen. Auf dem zentralen Platz, dem tohua, findet heute ein Schulwettbewerb statt. Es treten verschiedene Schulen gegeneinander an. Auch für die musikalische Begleitung sind Schüler verantwortlich.Nuku Hiva Als die Sonne gegen 18 Uhr untergeht wird es ernst. Die Damen und Herren der Juri setzen sich auf ihre Plätze. Alle sind gut gekleidet und mit Blumenkränzen um den Kopf geschmückt. In marquesanischer Sprache erzählt eine Prinzessin oder ein Prinz die Legende vom ersten Häuptling. Die Mitschüler tanzen und trommeln dazu. Die beste Darbietung und die originellsten Kostüme werden prämiert.

Die Hänge der Berge sind mit Palmen bestanden. Die Früchte der Palmen sind auch heute noch Haupterwerbszweig der Marquesas: Aus Kokosnüssen wird Kopra hergestellt. Mitten im Wald treffe ich mit meinem einheimischen Begleiter einen Kopra-Bauern. Er hat Kokosnüsse gesammelt, die Nüsse zerteilt und in Säcke verpackt. Mit diesen Säcken wird er sein Pferd gleich beladen und die Ernte ins Dorf bringen. Im Dorf werden die Kokosnussstücke dann zum Trocknen ausgelegt. Kopra ist das getrocknete Kernfleisch von Kokosnüssen und die Grundlage zur Herstellung von Kokosöl. Dieses wird hauptsächlich in der Kosmetikindustrie verwendet.

Ua Pou

Von Taiohae blicke ich hinüber nach Ua Pou – meinem nächsten Ziel. Ich habe von Air Tahiti einen Airpass und kann damit alle vier Inseln besuchen die einen Flughafen haben. Der Flug von und nach Tahiti ist ebenfalls im Airpass. Nuku Hiva Airport. Es geht recht beschaulich zu und bei täglich zwei Maschinen ist das kaum anders zu erwarten. Das Gebäude besteht aus einem großen luftigen Raum mit zwölf Ecken. Hier gibt es den Check-In Counter, die Gepäckausgabe, einen Souvenirshop, ein Cafe und Toiletten. Alles da. Sogar eine Hauskatze die hofft, dass auch für sie etwas Essbares abfällt. Das Flugzeug, das zwischen den Inseln eingesetzt wird, ist eine Twin Otter mit 19 Sitzen. Bei freier Platzwahl ergattere ich einen Fensterplatz in der 2. Reihe und genieße den Flug. Nach 20 Minuten in der Luft setzt der Pilot zur Landung an. Die Landebahn ist in einem wahrhaft engen Tal angelegt – die Start- und Landebahn ist auf der einen Seite von einem Berg begrenzt und auf der anderen vom Meer. Ich schaue dem Piloten über die Schulter. Nachdem der Flieger nach der Landung beinahe vor dem Flughafengebäude zum Stehen kommt, dreht sich der Pilot zu den Reisenden hinter ihm um sagt: Mesdames et Messieurs, bienvenue a Ua Pou – welcome to Ua Pou. Ist das schön!

Ich wohne in einem hübschen kleinen Bungalow der Pension Vehine im Hauptort Hakahau und mache mich sofort auf den Weg – den nächsten Hügel hinauf. Von hier sollte ich den höchsten Berg, den Mount Oave sehen, in seine Richtung ist jedoch alles grau mit Wolken verhangen. Der Blick zur Küste und zum weißen Strand ist besser. ua_pou_0558_1_web_webIch möchte Ua Pou zu Fuß erkunden. Im Lonely-Planet-Reiseführer wird eine moderate sechs Kilometer lange Tour empfohlen. Sechs Kilometer immer durch den Wald – das klingt nach einem gemütlich-netten Spaziergang. Das ist es zunächst auch. Der Weg führt die ersten paar Meter über eine breite Fahrstraße. Da der Rest des Weges schwer zu finden ist, und Wanderer ohnehin nicht allein laufen sollten, hat Heato, mein Gastgeber, Jerome als Wanderführer engagiert. Jerome erscheint in voller Montur und schleppt einen großen prallvollen Rucksack inkl. Kletterseil und Karabinerhaken. Schreck! Muss ich klettern?  Nein, versichert Jerome, das Seil ist nur für Notfälle. Er marschiert voran in den Busch.

ua pou_0623_webDer Pfad ist zunächst noch erkennbar, wird aber zunehmend beschwerlicher. Es geht durch Gestrüpp aus Panganus (Schraubenbäumen),  auf allen Vieren unter umgestürzten Bäumen durch, durch schulterhohes Gras. Jeder Schritt muss wohl bedacht sein, sonst gleiten die Füße unter dem Körper weg. Gefährlich ist es nicht, aber lästig und keineswegs gemütlich. Der Weg, so er denn als solcher zu erkennen ist, ist lehmig, steinig, nass, verwurzelt. In jedem Fall abwechslungsreich. Jetzt verstehe ich warum Jerome für die sechs Kilometer vier Stunden Gehzeit angesetzt hat.

Von einem Aussichtspunkt könnten wir einige der insgesamt 12 Nadeln, die das unverkennbare Erscheinungsbild von Ua Pou bilden sehen. Die Felstürme sind mit 1230 m die höchsten der Marquesas. Sie bestehen aus Trachyt, einem magmatischen Eruptivgestein. Die Marquesas sind vulkanischen Ursprungs und gehören zur Marquesas linear volcanic chain. Diese Kette hat sich aus einem Hotsport der Pazifischen Platte gebildet. Doch diese Berge sind recht schüchtern und verhüllen sich mit dichten Wolken. Wir machen eine längere Pause bis wir einsehen: Das wird heute nix mehr mit der Aussicht – ich muss wiederkommen!

Der Wald ist einfach wunderschön wilder Urwald. Es ist feuchtwarm, mein Körper ist mit Schweiß bedeckt, die Haare sind tropfnass. Diesen Aggregatszustand kenne ich bislang nur aus der Sauna. Kurz danach wartet dann als Belohnung für die Wandermühe die Abkühlung: der Wasserfall Vaiea mit Badmöglichkeit. Ich setze mich ans Flussufer, esse eine Banane und teile sie mit einer Flussgarnele! Eigentlich fällt mir aus Versehen ein Stückchen ins Wasser. Die Garnele kommt unter ihrem Stein hervorgeschossen und greift sich den „Krümmel“. Abgekühlt und entspannt marschieren wir nun aufrechten Ganges einen Fahrweg etwa 20 Minuten bis zum Dorf Hakahetau. Unser Mittagessen ist bei Ti Piero bestellt. Es gibt einen frischen Thunfisch-Burger, der so gar nicht nach Thunfisch schmeckt mit Süßkartoffelchips. Superlecker.

Hiva Oa

Auf Hiva Oa wohne ich am Ortseingang der Hauptstadt Atuona. Ich habe ein Zimmer mit Meerblick. Die Mauer am Strand sieht allerdings hässlich aus. Es ist doch wirklich nicht notwendig eine solche Mauer zu errichten wenn es keine Hafenkaimauer sein soll. Denke ich. Doch ist werde eines Besseren belehrt: Diese Mauer wurde gegen Tzunamis angelegt. Erst vor wenigen Wochen gab es einen kleinen der beinahe die ganze Ebene unter Wasser setzte. Sollte es z.B. in Chile ein Erdbeben geben das einen Tzunami auslöst, haben die Bewohner Hiva Oas acht Stunden Zeit sich in Sicherheit zu bringen.hiva_oa_0976_web_webDer französische Maler Gaugin lebte drei Jahre in Atuona (1901-03). Als Modell diente ihm die 14-jährige Marie-Rose Vaeoho, die auch seine Lebensgefährtin wurde. Im Center gibt es drei Räume, die mit Bildern von Gaugin vollgestopft sind, allerdings hängen hier nur Kopien. Mir gefallen diese Kopien nicht. Ihnen fehlt die Seele, die Farbe, was auch immer. Ich hätte besser ins Folkwang Museum nach Essen reisen sollen, dort hängen zwei Bilder die Gaugin auf Hiva Oa gemalt hat. Gaugin muss sich außerdem recht schlecht benommen haben und lag im Dauerstreit mit dem Bischof. Er führte ein zügelloses Leben und verfiel dem Alkohol. Er starb 1903 einsam und allein in seinem Haus.

Iipona AusgrabungsstätteIch habe Humu als Fahrer engagiert. Humu ist von Beruf Elektriker, aber wie alle Inselbewohner ist auch er ein Allrounder: Es taucht, reitet, tanzt  und fährt mit Touristen über die Insel. Die größte und schönste Ausgrabungsstätte der Marquesas liegt auf der anderen Seite der Insel: Te l’ipona.

Die Ausgrabungsstätte ist wegen ihrer großflächigen Ausdehnung und den 11 Tiki, darunter der größte (mehr als zwei Meter) der ganzen Marquesas, wohl die meist besuchte Fundstätte der Inseln. Karl von den Steinen konnte 1896 mit den fünf von ihm gesammelten Genealogien der Nachkommen der Erbauer den Tempelbau eindeutig auf 1700 und 1750 n. Chr. datieren. Jede Genealogie begann mit Gott, dem Urahn. Von da an wurde mit dem erstgeborenen Sohn und seiner Frau weitergezählt. Diese Stammbäume wurden auswendig gelernt, bis zu 80 Generationen lang konnten sie sein.

In einer geschützten Bucht kurz vor Atuona, liegt der Hafen des Ortes. Hier ist gerade die Aranui 5 angekommen. Die Aranui ist das Versorungsschiff für die Marquesas und kommt alle 14 Tage. Mit an Bord sind auch 280 Passagiere; das Boot fährt zur Hälfte als Kreuzfahrtschiff. Es herrscht geschäftiges Treiben: Ein Container wird vom Schiff gehievt, unten fahren zwei Gabelstabler hin und her. Ein funkelnagelneues Feuerwehrauto mit der Aufschrift „Airport Hiva Oa“ steht geparkt im Wald?! Es ist gerade angekommen und wartet auf den Weitertransport.hiva_oa_1128_1_web_web

Ua Huka

Die letzte und kleinste Insel in meinem Programm ist Ua Huka. Schon beim Anflug schaue ich von meinem Fensterstammplatz in Reihe 2 hinunter auf den Hauptort: Vaipaee. Dort werde ich übernachten, hinten im Palmenhain, drei Kilometer vom Zentrum entfernt. Es regnet etwas, also es schüttet vielmehr, aber es ist warm dabei. Vor dem Haus fließt ein kleiner Bach. Idyllisch. Bis auf die Moskitos.  Die muss ich leider auch mal erwähnen. Bei jedem Gang in den Busch hilft nur eine 30%ige Deet-Lösung sonst wird man von den Blutsaugern aufgefressen. Malaria gibt es keine, aber Denguefieber. Als der Regen nachlässt mache ich mich zu Fuß über die Lehmstraße auf den Weg in den Ort. Zu Fuß geht man hier noch seltener als auf den anderen Inseln. Alle Menschen fahren, selbst kürzeste Strecken, mit dem Auto. Fünf von sechs Fahrern halten an, als sie mich sehen und fragen ob alles in Ordnung sei und ob sie mich mitnehmen könnten. Wie nett! Ich fühle mich gut und wohl aufgehoben. Aber auf einer Strecke von drei Kilometern sprich 40 Minuten Fußweg nervt es mich beim fünften. Nach zwei Stunden auf dieser Insel weiß jeder Bewohner, dass im Rêve Marquesien eine deutsche Frau wohnt, die sich mit großem Fotoapparat bewaffnet zu Fuß fortbewegt.ua_huka_1316_webIm Supermarkt möchte noch einen Snack für mein mittägliches Picknick kaufen und sehe mich im Laden um. Die Regale sind mit Waren aller Art bestückt, von der Autobatterie über Zahncreme bis zu Nudeln und Dosenravioli ist alles zu haben. Nur Brot oder Obst gibt es nicht. Das einzig Frische im Laden sind Zwiebeln. „Morgen Abend kommt die Aranui – dann gibt’s wieder frisches Ost, Gemüse und Milchprodukte“, erklärt mir die Inhaberin. „Mehl haben wir auch keins mehr, deswegen konnte der Bäcker heute kein Brot backen“. Nun gut, dann gibt’s eben Kräcker und Müsliriegel.

Ein Auslegerboot liegt in der geschützten Hafenbucht am Strand. Die Sonne scheint. Geht doch. Genau das richtige Wetter um einen der Hügel zu besteigen.

ua_huka_1198_1_webMein Ziel ist der Rand des großen Kraters. Ein breiter Fahrweg führt in weiten Kehren den Berg hinauf etwa 250 m. Nach einer halben Stunde bin ich beinahe auf dem Gipfel. Ich habe es fast bis an den Kraterrand geschafft – es sieht wunderschön aus, hier oben. Doch dann drehe ich mich um und blicke landeinwärts.ua_huka_1403_webDas sieht nicht gut aus. Die dicke Wolke kommt direkt auf mich zu. Ich werfe meinen Regencape über, tüte meinen Rucksack in einen großen Müllsack, setze mich auf einen Stein und esse einen Müsliriegel. Eine Stunde lang. Im Reiseführer steht, dass der höchste Berg von Ua Huka, der Hitikau, nur 857 m hoch ist. Die geringe Höhe der Insel führt dazu, dass sich weniger Wolken abregnen. So steht es geschrieben. Nun, da habe ich offensichtlich einen schlechten Tag erwischt. Der nächste Tag wird besser. Bestimmt.

Mein Gastgeber Ranka ist nebenberuflich Bürgermeister von Vaipaee und benötigt für die örtliche Zeitung von einigen Bauern noch ein paar Fotos und ein Interview zu ihrer Arbeit. Ich darf ihn begleiten. Zuerst ist Rankas Cousin Teiki Tikaue an der Reihe. Er hält 200 Ziegen, die er jeden Morgen aus ihrem Pferch lässt, nur die Kleinen bleiben „daheim“ – das garantiert, dass die Mütter in jedem Fall am Abend zurückkommen. Teiki hat gerade neue Hochbeete angelegt. Die sind praktisch, so kann er im Stehen Pflanzen setzen und Unkraut jäten. Außerdem kommen die Schnecken hier nicht so schnell hoch. Er sieht Salat, Gurken, Paprika, Auberginen und Kräuter. Verkauft wird alles in der Nachbarschaft, auf den Markt geht nichts.

Auf der glatt geteerten Straße fahren wir in den nächsten Ort nach Hane. Die Distanzen sind nicht weit – die ganze Insel ist nur 14 km lang und maximal 10 km breit. Im Gegensatz zu den anderen von mir besuchten Inseln ist Ua Huka kahl, die Vegetation ist eher spärlich. Das war nicht immer so. Die von Menschen eingeführten und zum Teil verwilderten Haustiere wie Ziegen, Pferde und Schweine haben alles kahl gefressen nachdem die Menschen den Wald gerodet hatten. Die zerklüftete Küste wird nicht von einem Korallenriff geschützt – die starke Brandung tritt unmittelbar auf die Ufer.ua_huka_1375v_web

In Hane sehen wir uns eine Holzschnitzerschule an. Hier liegt tatsächlich ein Exemplar von Karl von den Steinen auf dem Tisch – jede Seite ist einzeln in eine Klarsichtfolie verpackt. So können auch später noch viele Generationen von Holzschnitzerauszubildenden damit arbeiten. Es wird gehobelt und gefräst.

Am nächsten Morgen will ich um 7 Uhr mit meinem Gastgeber in den Frühgottesdienst und danach direkt zum Flughafen. Ua Huka ist meine letzte Station. Mein Flug geht über Nuku Hiva nach Papeete und von dort weiter nach Chile. So ist der Plan. In der Nacht regnet es heftig. Das kenn‘ ich mittlerweile – das macht den Abschied nicht so schwer. Dummerweise ist auch das idyllische Rinnsal vor dem Haus zu einem reißenden Strom geworden. Meine Gastgeber fahren zwar einen Allrad-Pickup, aber der Wasserstand ist zu hoch. Um 7 Uhr machen wir einen ersten Versuch, aber das Auto ist sofort bis zur Kühlerhaube im Wasser. Wir müssen nur warten bis es eine Stunde lang trocken ist. Also keine Frühmesse. Macht nichts. Warten. Mein Flieger geht erst um 11 Uhr. Das Problem ist nicht nur der hohe Wasserstand sondern auch die dicken runden Kieselsteine im Flussbett. 2. Versuch. Ich teste die Funktion der mechanischen Fensterheber, um im Notfall durch das Fenster aussteigen zu können – sollten wir abgetrieben werden. Wir schaffen es!! Der zweite Versuch um 9 Uhr klappt. Glück gehabt.

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Jetzt haben wir noch eine ganze Stunde Zeit!  Am Hafen wimmelt es heute von Menschen. Die Aranui ist in der Nacht vor Anker gegangen und seit dem Morgengrauen sind alle Bewohner auf den Beinen um neue Ware in Empfang zu nehmen und eigene Waren zu verschicken. Jeder der mit anpacken kann, ist im Hafen. Der triste Hafenunterstand aus grauem, unverputztem Beton ist nicht wiederzuerkennen. Für die Passagiere der Aranui sind die grauen Betonsäulen mit Palmwedeln geschmückt.  Es wurden Stände mit Essen und Trinken aufgebaut, hier lagern die Waren die verschifft werden sollen, neue Waren werden zwischengelagert. Viele Säcke mit Kopra liegen zur Verladung bereit.

Alle Einwohner tragen ihre Sonntagskleidung. Die Frauen haben Blumen im Haar oder einen Hut mit echtem Blumenkranz auf dem Kopf. Alle, die ein fahrtüchtiges Auto besitzen, sind im Einsatz. Sie fahren 3-4 Passagiere der Aranui über die Insel. Busse gibt es nicht. Alle 280 Passagiere werden auf Privatautos verteilt. Meine Gastgeberin Verani ist mit von der Partie. Zunächst sind das nur 500 m bis zum kleinen Museum, danach werden auch die Aranui-Reisenden zu den Holzschnitzern nach Hane gefahren.ua_huka_1495_webNachdem Verani ihre Touris im Museum abgeliefert hat, bringt sie mich zum Flughafen. „Ah, Astrid“, werde ich am Counter begrüßt – bevor ich meinen Pass vorgelegt habe! Mein Name ist der einzig unbekannte auf der kurzen Passagierliste, so ist es nicht schwer, auch die Touristen gleich mit Namen anzusprechen. „Wie war Deine Wanderung gestern“ ??!! Ich kenne die Dame am Counter nicht, aber so ist das bei knapp 700 Einwohnern. Da es gerade mal wieder trocken ist, warte ich vor dem Gebäude um die ankommende Maschine zu fotografieren. 10 Minuten vor der geplanten Landung, klingelt drinnen das Telefon. Lautes Fluchen. „Astrid“, ruft es von drinnen, „very sorry, engine broken.“ Motor kaputt. Heute gibt’s keinen Flug mehr und morgen auch nicht, vielleicht übermorgen! Schock. Ich sitze also auf Ua Huka und möchte über Papeete und Chile nach Frankfurt. 16000 km. In einem Rutsch heim. Mit drei verschiedenen Airlines. Der Flieger von Tahiti nach Chile geht nur ein Mal pro Woche – in 36 Stunden! Ich soll ein Fischerboot chartern und nach Nuku Hiva fahren. Von dort gibt’s ein Mal täglich einen Flug nach Papeete/Tahiti. Ein Fischerboot würde etwa 500 Euro kosten, den Flug von Papeete Richtung Heimat verpassen noch viel mehr – abgesehen von der Zeit. Was ist mit der Aranui? Welche Insel fährt das Schiff als Nächstes an und gäb’s dort einen Stehplatz für mich? Nach kurzen Telefonat steht fest: Die Aranui fährt tatsächlich als nächstes Nuku Hiva an! Ich erhalte direkt einen Übernachtungsvoucher bei Rose auf Nuku Hiva und kann am nächsten Tag nach Papeete fliegen. Dann habe ich dort noch acht Stunden Zeit bis mein Flieger nach Chile geht. Alles gut. Verani holt mich zwischen zwei Fahrten für die Aranui-Passagiere wieder ab.

Wir fahren nach Hane. Hier soll am Spätnachmittag die Aranui anlegen um ihre Passagiere wieder einzusammeln. Durch den Regen wirkt der Ort noch trister und ausgestorbener als er bei Sonnenschein war. Und so sitzen Verani und ich im Auto und warten auf das Schiff. Verani will mich auch nicht allein warten lassen – das gehört sich nicht.

ua_huka_1553v_webDann endlich schiebt sich das Riesenschiff um die Felsnase. Hurra. Die Aranui-Passagiere stellen sich sogleich in Reih und Glied auf. In ströhmendem Regen. Auf einer Seite der Bucht kommt das Walboot mit Sitzbänken für Passagiere. Sie werden von je einem kräftigen Besatzungsmitglied unterstützt, trotzdem landet der eine oder andere Fuß im Wasser und diejenigen, die hinten beim Steuermann sitzen werden von einer sich überschlagenden Welle geduscht.ua_huka_8570_webEtwa 100 m entfernt läuft das Walboot ohne Bänke für Fracht ein. Per Hand wird im Eiltempo ent- und beladen. Ich muss warten bis der Ticketverkäufer der Aranui anlandet. Er verkauft die Tickets für die Einheimischen, die so genannten „residents“. Zu ihnen zähle ich in diesem Fall auch. Knapp 30 Euro kostet mich die zweieinhalbstündige Fahrt. Mit dem letzten Passagierboot werden auch die residents (vier Einheimische und ich) an Bord der Aranui gebracht.  Dort wird mein Reisepass von einem ziemlich tätowierten glatzköpfigen, arroganten Mann mit Ringen in jedem Ohrläppchen eingesackt. Er befiehlt mir zur Rezeption ein Deck tiefer zu gehen. Dass er meinen Pass behält ist mir gar nicht recht; mein Pass ist gleichzeitig mein Flugticket und meine Identität. Aber keine Widerrede. An der Rezeption verlangt eine polynesisch aussehende Frau barsch nach meinem Ticket. Ich werde ungefragt fotografiert. Dann folgt die Belehrung, dabei weist sie mit ihrem  Zeigefinger auf mich: „Für residents ist es verboten auf das Oberdeck zu gehen, es ist verboten in den Restaurants zu essen oder sich im Souvenirshop aufzuhalten oder gar etwas zu kaufen. Und weißt Du auch warum? Die anderen Passagiere haben wesentlich mehr Geld bezahlt als Du, darum!“ Ich bin ein Mensch dritter Klasse. Ich darf mich im Gemeinschaftsraum aufhalten und am Unterdeck, neben dem Maschinenraum, an die frische Luft gehen. Das ist in Ordnung. Ich bin glücklich, dass ich mitfahren darf, aber wie muss sich bei einer solch herablassenden Behandlung ein Einheimischer fühlen? Ich habe die Menschen auf den Marquesas überall als zuvorkommend, fürsorglich, freundlich, höflich und überaus sympathisch erlebt. Nirgendwo, absolut nirgendwo von niemandem, während der gesamten Reise, bin ich so schlecht behandelt worden wie auf der Aranui.

Die Wolkenbildung ist wunderschön und kurz nachdem wir abgelegt haben, sehe ich ein paar Delfine die in der Heckwelle springen! Großartig. Ich bleibe die ganze Zeit draußen, und schaue mir die Regenwolken an. Als wir vor Nuku Hiva vor Anker gehen, bekomme ich anstandslos meinen Pass zurück und werde mit den vier anderen residents im Industriehafen an Land gesetzt. Auf die anderen wartet ein Taxi, auf mich wartet niemand. Macht nichts, ich werde laufen. Das geht aber gar nicht. Ich werde einfach in eins der Taxis verfrachtet – niemand wird allein irgendwo stehen gelassen, schon gar nicht im Dunkeln. Das ist typisch für die Marquesas und ihre wirklich liebenswerten Menschen. Die Aranui ist eine andere Welt.ua_huka_8618v_webAm nächsten Morgen geht dann tatsächlich alles glatt. Trotz einiger durch den Regen umgestürzter Bäume und einem Erdrutsch auf der Flughafenstraße erreiche ich meine Flüge und lande drei Tage später in Frankfurt am Main.

Allgemeine Informationen zu den Marquesas

Die Inselgruppe der Marquesas gehört zu Französisch Polynesien. Mit dem Flugzeug überbrückt man die 1600 Kilometer in 3 1/2 Stunden ab Tahiti. Nach Tahiti wiederum fliegt man am besten – wenn man von Europa kommt – entweder ab Los Angeles mit Air Tahiti oder ab Santiago de Chile mit Lan Chile. Ich fliege via Santiago weil ich dann noch einen Stopover auf der Osterinsel machen kann. Zur Inselgruppe der Marquesas gehören 14 Inseln von denen sechs bewohnt sind. Vier dieser sechs Inseln haben einen Flughafen. Auf sechs bewohnte Inseln verteilen sich nicht ganz 10.000 Einwohner  – weniger als derzeit in meinem Geburtsort Schalksmühle wohnen.

Umfangreiche Infos : http://neukaledonien.de/marquesas.htm

Für Nachahmer:

Flüge:

Air Tahiti (sehr angenehme Flüge, netter Service)

Übernachtungen

Nuku Hiva: Rose Corser, He’e Tai Inn, B.P.21, Taiohae, Tel. 689920382, Fax 689-910235, www.marquesas-inn.com

Ua Pou: Heato, Pension Vehine, BP 54, Hakahau, Tel. 925063, Fax 925321

Hiva Oa, Pension Moehau, Atuona, Tel. 927269, Fax 927762

Ua Huka: Le Reve Marquisien, Vaipaee, Tel/Fax. 40926184, E-Mail: revemarquisien@mail.pf