Zu Fuß um die Insel Anglesey (Wales)

Als ich das erste Mal in Wales auf der Halbinsel Llyn gewandert bin wurde ich fast täglich gefragt: „Warst Du schon auf Anglesey?“ „Anglesey – nie gehört, wo soll das sein?“
Anglesey oder Môn Mam Cymru (Die Mutter von Wales) ist eine Insel am nördlichen Ende von Wales. Größter Ort mit 13.000 Einwohnern ist Holyhead und Holyhead ist Ausgangshafen für die Fähren nach Irland. Verkehrstechnisch ist die Stadt daher gut angebunden mit Zug-Direktverbindungen von Manchester, Birmingham und London.

Holyhead

Holyhead, St. CybiEs regnet in Strömen als ich ankomme, aber bezüglich des Wetters war ich vorgewarnt: Schon der Historiker Tacitus schreibt vor fast 2000 Jahren in seinem Buch Agricola: „Das Klima ist wegen häufiger Regenfälle und Nebel abscheulich; raue Fröste fehlen allerdings.“ Nun, kein Frost, das sind doch gute Aussichten – Regenzeug habe ich natürlich dabei. Der nächste Morgen zeigt sich mit klarem Himmel, so dass ich schon im Morgengrauen hinunter zum Hafen laufe.
Im 6. Jh. erhielt der Priester und Bischof Cybi vom walisischen König das Areal einer römischen Garnison damit er dort eine Kirche und ein Kloster errichten konnte. Der heutige Bau stammt aus dem 15. Jh. und liegt bereits in strahlendem Sonnenschein – was für ein Start, denn genau hier beginnt der Küstenwanderweg. Das Wanderzeichen ist die Küstenseeschwalbe. Der mit 1,4 Mio. GBP aus Mitteln der EU unterstützte Pfad ist etwas mehr als 200 km lang. Super trainierte Wanderer schaffen das in fünf Tagen – ich nehme mir 15 Tage dafür Zeit, denn nicht allein der Weg ist mein Ziel! Meine Unterkünfte und den Gepäcktransport habe ich über Contours vorgebucht – ich trage also nur meine Verpflegung und die paar Kilo Kameraausrüstung. Easy going, also!

South Stack

Der gut ausgeschilderte Weg führt an der Küste entlang stetig bergauf. Große, weiße Tafeln der Fährgesellschaft Stena-Line warnen vor möglichen Flutwellen, die durch die Fähren ausgelöst werden können – jeder, der am Ufer entlang marschiert solle die Schiffe im Auge behalten! Mal ist es steinig, mal blühen Heide und Stechginster in einem wahren Farbenrausch nebeneinander. Als kleinen Umweg erklimme ich noch den Gipfel des Holyhead Mountains, der mit 220 m höchsten Erhebung Angleseys. Sehr gut zu sehen sind die riesigen Kaianlagen des Fährhafens, die heute gut 200 Booten Schutz vor der oft stürmischen See bieten. Wieder auf dem Weg zur Küste bieten sich phantastische Aussichten auf den South Stack Leuchtturm, dessen Öllampen 1809 das erste Mal angezündet wurden. Heute arbeitet er voll automatisch.

South Stack

Trearddur

Der Wanderweg von hier führt zunächst über von Schafen kurz gefressene Wiesen an der Küste entlang. Jede Menge kleine und größere Felsen kurz vor der Küste waren lange Zeit eine ernsthafte Gefahr für die Schifffahrt. Besonders hinreißend finde ich die Geschichte aus dem vorletzten Jahrhundert, die meine Wirtin erzähl: Eine Ketsch (Zweimastyacht) auf dem Weg nach Liverpool lief bei dichtem Nebel auf einen dieser Felsen auf. Tyger, der Hund des Kapitäns, schwamm mit dem Schiffsjungen, der sich am Hals des Tieres festklammerte, an Land. Danach kehrte der Vierbeiner zum havarierten Schiff zurück und geleitete nach und nach die drei anderen Besatzungsmitglieder ans sichere Ufer. Nachdem Tyger auch den letzten gerettet hatte, starb er an Erschöpfung.

Four-Mile-Bridge

Der Weg führt in eine vom Meer geflutete Brackwasserbucht. Der Pfad ist morastig, ich sinke teilweise knöcheltief im Boden ein. Ein Hoch auf hohe Wanderschuhe! Ab Four Mile Bridge führt der Weg zunächst über einen Bauernhof einen Hügel hinauf. Der Pfad ist schmal und vor allem stachelig, denn das Buschwerk zu beiden Seiten besteht aus Stechginster. Danach bin ich zur Abwechslung auf einem befestigten Weg – endlich mal wieder unbeschwert geradeaus laufen! Die Freude währt nicht lang, das nächste „Kissing Gate“ auf eine Wiese wartet und dahinter warten interessiert die Rindviecher. Diese Kuhweiden mag ich überhaupt nicht; sie sind meist hubbelig, haben hohes Gras und es läuft sich entsprechend schlecht.Beware of the bull Noch dazu muss man genau aufpassen wohin man die Füße setzt. Ich bin auf dem Land groß geworden und erinnere mich, dass es strengstens verboten war Weiden mit Bullen zu betreten, weil die Tiere aggressiv reagieren können. In Wales führen die Wanderwege sehr häufig über Weiden. Manches Mal hängt am Zugang ein Schild „Beware of Bull“, doch was soll ich mit dieser Information anfangen? Die Wanderstöcke fester in die Hand nehmen und zur möglichen Verteidigung nutzen? Umkehren und Straße laufen? Ich ignoriere die Schilder tapfer; in den meisten Fällen schauen die Tiere zunächst interessiert und laufen dann angstvoll weg oder ignorieren mich ganz.

Rhosneigr

Four-Mile-Bridge nach RhosneigrNachdem ich etliche dieser Kuhweiden überwunden habe, stehe ich an der Mündung des Meerwasserarmes an dem ich seit gut zwei Stunden mehr oder weniger entlang laufe. Der Weg geht nun über einen fünf (!) Kilometer langen, feinen Sandstrand bis nach Rhosneigr. Fünf Kilometer bedeutet für einen Fußgänger eine gute Stunde Marsch ohne dass sich viel an der Landschaft ändert.

Nach Rhosneigr treffe ich das erste Mal auf eine der etwa 30 neolithischen Grabstätten auf Anglesey: Was aussieht wie ein Bunker ist Barclodiad y Gawres oder „Die Schürze der Riesin“. Im Inneren dieses jungsteinzeitlichen Grabhügels befinden sich drei Steinkammern. In den kleinen Seitenkammern wurden die Gebeine von zwei Männern gefunden. Die Hauptkammer wurde wahrscheinlich für die Beerdigungszeremonie genutzt. Dort fanden Archäologen die Reste eines rätselhaften Cocktails aus Lippfisch, Frosch, Aal, Kröte, Ringelnatter und Hase. Lecker!

Rhosneigr, Sonnenuntergang

Aberffraw

Das historische Örtchen Aberffraw hat etwa 600 Einwohner. Ich stehe mitten auf dem zentralen Platz mit dem einzigen, sehr gut bestückten Lädchen, das gleichzeitig Poststelle, Bank und Lotterieannahmestelle ist. Ich will ein paar Äpfel als Proviant kaufen und was entdecke ich an der Kasse: Mein Gepäck! Verwundert frage ich nach: Die Hausherrin meines B&B, ein Haus weiter, ist in Urlaub, ich bekomme hier meinen Schlüssel und solle mich als einziger Gast im Haus wie zu Hause fühlen. Küche, Wohn- und Esszimmer stehen mir komplett zur Verfügung und morgens kommt Becky, eine andere Nachbarin, die mir ein ordentliches walisisches Frühstück zubereitet. Bestens organisiert, aber doch etwas seltsam allein in einem fremden Wohnhaus zu wohnen! Das Prachtstück des ansonsten etwas grauen Aberffraw ist die Brücke über den Ffraw. Im Jahre 1731 gebaut führte bis 1932 sämtlicher Verkehr in den Ort über diese Brücke.

Mallraeth

Nachdem ich den großen Nutzwald von Newborough durchquert habe, komme ich zum Strand. Heute ist Sonntag, die Sonne gibt ihr Bestes, der Himmel ist wolkenlos. Es ist etwa 11 Uhr und an diesem riesigen Stand sind gerade mal eine Hand voll Menschen. Während der gesamten zwei Wochen kann ich die Wanderer, die mir begegnen an 10 Fingern abzählen. Das hat zur Folge, das man sich freundlich grüßt und mit fast jedem ein paar Worte wechselt. Ich als Deutsche bin absolute Exotin, die einzigen anderen Touristen, die ich in den Unterkünften treffe, kommen aus England.

Menai Strait / Plas Newydd

Der Weg führt nun wieder ein Stück landeinwärts am Rande von Gras bewachsenen Dünen entlang bis zu den Stepping Stones, dicke Felsen die eine originelle Fußgängerbrücke über den Afon Braint bilden. Nach der Überquerung etlicher Wiesen stehe ich plötzlich an der Menai Strait und blicke auf eine alte Bekannte: die Festung von Caernarfon auf der Halbinsel Llyn. Für den heutigen Tag habe ich mir nur wenige Kilometer Wanderung dafür aber viel Kultur vorgenommen. Zuerst steht Bryn Celli Ddu auf dem Programm. Etwa 3000 v.Chr. bildeten hier 14 aufgerichtete Steine einen Kreis in dessen Mitte eine Feuerstelle war. Bryn Celli DduÜber dieser Feuerstelle entstand später ein Grab und über dem Grab ein Hügel. Der Hügel allerdings ist nicht authentisch, er wurde von den Archäologen zum Schutz des Grabes errichtet. Bryn Celli Ddu wird allgemein übersetzt als „der Berg im dunklen Hain“ . Bryn Celli Ddu hat viele ungewöhnliche Merkmale, darunter ein Stein mit spiralförmigen Ornamenten und Mustern hinter der Grabkammer.

Da sich der folgende Küstenabschnitt in Privatbesitz befindet verläuft der Wanderweg etwa drei Kilometer an der A4080 Bundesstraße entlang. Der Reiseführer empfiehlt den Bus zu nehmen. Drei Kilometer erscheint mir lächerlich, ich ignoriere den Hinweis im Reiseführer, doch es werden die längsten drei Kilometer meiner Wanderung! Die viel befahrene Bundesstraße ist ohne Randstreifen oder gar Bürgersteig in keinster Weise auf Fußgänger eingerichtet. Wann immer mir ein Auto auf meiner „Spur“ entgegen kommt muss ich in den Graben und im schlimmeren Fall sogar in die Brombeerranken springen, denn auf Grund des Gegenverkehrs kann der Autofahrer nirgendwohin ausweichen. Nächstes Mal nehme ich den Bus oder rufe ein Taxi! Der Privatbesitz, der mir (und anderen) den Weg verwehrt ist Plas Newydd – ein stattliches Haus aus dem 18. Jh. mit 20.000 qm Parkanlage. Der 1. Marquis von Plas Newydd hatte im Jahre 1815 das Kommando über die Kavallerie in der Schlacht von Waterloo. Er verlor ein Bein während des Gefechts und bekam von Admiral Nelson für seine Tapferkeit den Titel 1. Marquis von Anglesey. Ein guter Teil seines Hauses ist heute Museum und in einem Raum ist neben militärischen Exponaten das erste jemals gefertigte Gelenk-Holzbein vom 1. Marquis ausgestellt.

Lord Nelson wacht auf einer Säule über der Menai Strait. Die stürmischen sechs Meter Gezeitenhub sind seit jeher Freund und Feind der Anwohner dieser Wasserstraße gewesen. In früheren Zeiten dachten Eindringlinge und Plünderer zwei Mal nach, bevor sie es wagten die Menai Strait zu überqueren. Die Römer schwammen gar mit ihren Pferden hier herüber – kaum vorstellbar wenn man sich die Wasserstrudel ansieht. Die Britannia Bridge von Robert Stephenson wurde 1850 eröffnet und ist heute eine der wichtigsten Verkehrsachsen nach Anglesey. Mit dem Ausbau der Eisenbahn auf dem Festland kam schon früh eine Eisenbahnlinie hinzu. Zum Glück wurde der ursprüngliche Plan zerschlagen, die Eisenbahnwaggons mit Pferden über die alte Telford Brücke zu ziehen. Die Hängebrücke von Thomas Telford Brücke ist die erste Brücke, die über diese Wasserstraße gebaut wurde. Es war eine echte Herausforderung: Die Brücke musste über 176,5 m die beiden Ufer miteinander verbinden und gleichzeitig einem Segelboot mit 30 m hohen Masten die ungehinderte Durchfahrt ermöglichen. 1819 wurde mit dem Bau begonnen. 150 Arbeiter waren sieben Jahre mit dem Bau beschäftigt.

Beaumaris

Über die Telford-Brücke gelangt man nach Beaumaris. Die Besucher kommen in erster Linie wegen der großen Festung. König Edward I beauftragte Master Mason James of St. George als Architekten. Die geplante Burg benötigte viel Fläche und so wurden die Bewohner des damaligen Ortes Llanfaes kurzer Hand zwangsumgesiedelt. Voll besetzt konnten 20 Bogenschützen, 10 Ritter und bis zu 100 Fußsoldaten untergebracht werden. 1295 begannen die Bauarbeiten mit 400 Steinbrucharbeitern, 2000 Arbeitern und 450 Maurern. Vollendet wurde die Burg allerdings nie, da das Geld ausging. Der Festungsgraben war ursprünglich mit dem Meer verbunden, so dass er Schiffen einen sicheren Ankerplatz innerhalb der Mauern bot. Der äußere Bezirk ist von einer hohen Mauer und 16 Türmen umgeben. Dennoch eroberten walisische Rebellen die Burg zwischen 1403 und 1405 während des Unabhängigkeitskrieges (unter Owain Glyn Dwr). Bis ins 17. Jh. fanden etliche Kämpfe statt, danach wurde die Festung verlassen und verfiel. Heute gehört Beaumaris zum Unesco Weltkulturerbe.

Beaumaris, Castle

Penmon

Zwischen Beaumaris und Penmon sollte ich eigentlich gut 45 Minuten am Ufer der Menai Strait entlang laufen, doch es ist gerade Flut, das Wasser reicht schon bis an die Wellenbrecher und wird wohl noch höher. Da der Küstenwanderweg häufig am Strand entlang verläuft erhielt ich vom Reiseveranstalter für jeden einzelnen Wandertag eine Liste mit den Ebbezeiten. So weiß ich, was auf mich zukommt. Sechs Stunden später loslaufen ist bei 20 km Gesamtstrecke nicht angebracht, also ziehe ich den kleinen Umweg über die wenig befahrene Landstraße vor! Die Straße ist zwar einspurig und eng, aber mir begegnen in 30 Minuten nur zwei Autos! Direkt am Ufer entlang marschieren wäre sicher anstrengender gewesen – bestimmt kein Vergnügen über diese dicken Steinbrocken zu laufen. Der Weg führt direkt zum Penmon Leuchtturm und der dahinter liegenden Puffin Island (Ynys Seiriol). Einst brüteten hier gut 2000 Papageientaucherpaare, doch nachdem versehentlich Ratten auf die Insel gebracht worden waren, dezimierte sich die Papageientaucherpopulation rapide. 1998 wurden die Ratten in einer groß angelegten Aktion vergiftet, nun erholt sich die Population langsam wieder.

Red Wharf Bay

Weiter geht es über Weiden zur Red Wharf Bay, bei Ebbe einem schier endlosen Band aus feinem Sand. Meine Rettung ist das Ship Inn, ein bekannter Pub mit gutem Bier und leckerem Essen, danach sind es nur noch drei km bis zur Unterkunft.

Red Wharf Bay

Moelfre

Die Küste wird zunehmend steiler. Bis zu 30 m hoch erheben sich mittlerweile die Klippen. Diese Klippen direkt bei Moelfre haben traurigen Ruhm erlangt: Viele Schiffe gerieten hier schon in Seenot, ganz besonders schlimm erwischte es die Royal Charter 1859. Die Royal Charter war auf dem Weg von Australien nach Liverpool und konnte die Lichter von Liverpool schon fast sehen, als Windstärke 12 das Schiff auf die Klippen trieb. Rettungsboote von Land konnten auf Grund zu hoher Wellen nicht ausgeschickt werden. Die Bewohner des Fischerdorfes Moelfre bildeten eine Menschenkette um die in Seenot geratenen ans Ufer zu holen, dennoch kamen 459 Menschen ums Leben. Insgesamt 133 Schiffe fielen in dieser Nacht dem Sturm zum Opfer.

Parys Mountain / Amlwch

Ich laufe weiter an der weiten Bucht von Dulas entlang und wieder landeinwärts durch einen Windpark zum Parys Mountain. Im 18. und 19. Jh. war dies die größte Kupfermine Europas. Rowland Puw, ein einheimischer Bergarbeiter entdecke, wie 1500 Jahre vor ihm die Römer, Kupfervorkommen in diesem Bergrücken. Der Fund machte Parys Mountain für eine kurze Zeit zu einer der weltweit bedeutendsten Minen. Die Industrialisierung stand in ihren Anfängen und Kupfer wurde überall benötigt: Münzen mussten geprägt werden und Lord Nelson benötigte Kupferverschalungen für seine Kriegsflotte. Puw wurde für seinen Fund mit einer Flasche Whisky und freier Logie belohnt. Etwa 1500 Männer und Frauen arbeiteten in dieser Mine unter gefährlichen Bedingungen. Die Männer holten das Kupfer aus der Erde, die Frauen (copper ladies) reinigten das Erz. Die Mitte des Berges wurde ausgehöhlt – alles mit ein bisschen Dynamid, Hacke, Spaten und Pferdestärke. Es entstand eine Marslandschaft, und eines der größten von Menschenhand gegrabenen Löcher. Heute ist alles Geschichte, die alte Windmühle überragt als Runie das große Loch. Vier Kilometer den Berg hinunter liegt der Hafen von Amlwch. Amlwch bedeutet so viel wie „an der schmalen Bucht“ und vor der Entdeckung des Kupfers war es auch nichts anderes. Mit der Kupferförderung änderte sich dies schlagartig. Bis zu 40 Transportschiffe konnten in Amlwch ankern, kaum vorstellbar, den heute liegen nur noch ein paar kleine Fischerboote im Hafen. Die Küste bei Amlwch ist arg zerklüftet und in einer der vielen Buchten liegt Porth Wen. Hier wurde zwischen 1889 und 1924 die im nahen Craig Wen gewonnene Quarzerde weiterverarbeitet. Die Ziegel, die in den runden Öfen hergestellt wurden hatten einen derart hohen Quarzgehalt, dass sie sehr hohen Temperaturen Stand hielten und somit in Stahlwerken verwendet wurden.

Cemaes

Die Besichtigung von Porth Wen hat mich eine gute Stunde Zeit gekostet, aber der nördlichste Zipfel, die Insel Ynys Badrig, ist schon gut zu sehen – jetzt ist es nicht mehr weit. Denke ich. Doch ich sollte nicht Denken sondern auf meine Karte schauen: Dazwischen liegt noch eine Bucht die es zu umlaufen gilt. Und nicht nur umlaufen – es geht etliche Treppen hinunter und genauso viele an der anderen Seite wieder hinauf. Ein anderer Wanderer auf meinem Weg. Da das so selten vor-kommt, kommen wir direkt ins Gespräch: George aus Midlands ist heute morgen in Church Bay gestartet, dort will ich morgen hin und er will heute noch bis Dulas laufen – dort war ich gestern. Das heißt: George läuft an einem Tag was ich in dreien schaffe! Im nächsten Jahr möchte er den gesamten Weg nonstop laufen, dafür trainiert er. Und so ist er auch schon wieder auf dem Weg bevor ich fragen kann, ob ich ihn fotografieren darf.

Dann endlich: die Kirche von St. Badrig. Badrig ist eine der ältesten Kirchen in Wales. Wahrscheinlich stand bereits 440 das erste Gotteshaus hier. Das heutige Gebäude wurde im 18. Jh. renoviert. Finanziert wurde die Restaurierung von Henry dem dritten Lord Stanley of Alderley (1869-1903). Er hatte seine Jugend im Nahen Osten verbracht und war zum Islam konvertiert und so sehen wir heute die für eine christliche Kirche eher ungewöhnliche Dekoration aus blauen Kacheln. Die Bucht von Cemaes. Aufgrund der Kupfermine am Parys Mountain (6,4 km) entstand eine Werft in Cemaes. 100 bis 400 t Schiffe wurden hier gebaut. Über den Hafen wurde Kohle importiert; Kalkstein, Getreide, Marmor, Ziegel, Kalk und Ocker wurden exportiert. Heute ist es ruhig geworden in Cemaes. Allein in der Hauptstraße stehen gleich fünf Häuser zum Verkauf.

Der Wanderweg von Cemaes nach Church Bay führt direkt am Wylfa Atomkraftwerk vorbei. 1971 gebaut liefert Wylfa genug Energie um Großstädte wie Liverpool und Manchester zu versorgen. Gründe für die Standortwahl in dieser strukturschwachen Gegend waren u.a. das in ausreichenden Mengen verfügbare Kühlwasser und genügend Arbeiter. Doch: Wylfa wurde 2010 aus Altersgründen abgeschaltet, wieder ein Erwerbszweig weniger.

Cemlyn Bay

In meinem Wanderführer wird darauf hingewiesen, dass der Damm, der die dahinter liegende Lagune vom Meer trennt, nur bei Ebbe begangen werden kann, bei Flut solle man die Straße benutzen. Der Wegweiser am Strand weist eindeutig darauf hin, dass der Wanderer am Strand entlang laufen soll. Es ist zwar zur Zeit Flut, aber die Straße zu laufen bedeutet ein paar Kilometerchen Umweg. Die Kiesel sind trocken, auf dem Dammkopf wächst sogar Gras, so schlimm kann die Flut doch gar nicht sein, denke ich – warum soll ich also hier nicht her laufen? Kiesel zu laufen ist zwar anstrengend, aber das Ziel ist nach gut 20 Min. schon erreicht – so scheint es jedenfalls. Tja, dumm gelaufen. Fußweg geschlossen. Ich sollte wohl doch mehr Vertrauen in meinen Wanderführer haben! Diese Furt ist nur bei Ebbe zu durchqueren! Also: zurücklaufen.Cemlyn Bay

Da laut Karte ein weiteres Stück Küstenweg gesperrt ist und ich somit ohnehin Straße laufen muss entschließe ich mich ein paar Menhire zu suchen, die etwas entfernt von der Küste auf einem Feld stehen sollen. Ich folge der Karte quer über einige Wiesen. Da stehen sie im Kreis wie drei Tänzer. Vielleicht waren diese Menhire (maen = Stein, hir = lang) einst Teil eines Steinkreises. Steinkreise waren religiöse Stätten, sozusagen die Tempel der Steinzeit. Zwei der Monolithen sind etwa 2 m hoch, der dritte ist etwas niedriger.

Church Bay

Am nächsten Morgen ist der Himmel sehr dunkel, es fällt leichter Nieselregen und es ist extrem windig. Nach fast zwei Wochen täglichem Sonnenschein beklage ich mich nicht. Ich komme zügig voran, da ich nicht so viel fotografiere. Doch ich erblicke schon mein Ziel des nächsten Tages: Holyhead Mountain – dort bin ich gestartet. Der Küstenpfad führt weiter über die Embankmetbrücke auf die Holy Island und durch ein kleines Naturreservart mit Tierfriedhof und phantastischen Ausblicken auf den Fährhafen von Holyhead – noch dazu wird das Wetter zum Ende des Tages zunehmend besser.

Bestes Restaurant:

Ausgewählte Unterkünfte:

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