Als ich von meiner Reise nach Singapur zurückkam, war ich begeistert von den dortigen architektonischen Highlights: Ich konnte mich gar nicht satt sehen an der innovativen, umweltfreundlichen Architektur. Wieder daheim stellte ich erstaunt fest, dass es auch in meiner unmittelbaren Umgebung eine Spielwiese für namhafte Architekten und ausgefeiltes innovatives Design mit umweltfreundlichen Gesichtspunkten gibt. In Düsseldorf. Ein Tag im ehemaligen Hafenviertel wurde für mich zu einem Fest der Sinne.
Es beginnt bereits mit dem Aussteigen aus der Straßenbahn an der Haltestelle Kesselstraße.
Ich stehe direkt vor einem weißen Gebäude aus Glas und Beton. Die Hauptverwaltung von trivago – der weltweit größten Hotelsuchmaschine. Das Gebäude wurde von der Architektengruppe SOP entworfen und 2018/2019 fertiggestellt. Die beiden geschwungen geformten Gebäude bieten Platz für gut 2000 Mitarbeiter*innen. Auf dem bepflanzten Dach gibt es eine Laufstrecke, im spärlich begrünten Hof befinden sich Gastronomie und ein Wassergraben. Noch sind nicht alle Gebäude dieses Ensembles bezugsfertig und es bleibt zu hoffen, dass noch etwas mehr Grün gepflanzt wird.
Die Fassade des Gebäudes auf der gegenüber liegenden Straßenseite erstrahlt in leuchtendem Rot.
Ich mache mich auf den Weg zur so genannten Hafenspitze. Dem Rheinhafen Düsseldorf erging es wie vielen anderen Häfen dieser Welt. Nach dem 2. Weltkrieg auf- und ausgebaut, zeichnete sich in den 1960er und 1970er Jahren mit der Kohle- und Stahlkrise ab, dass ein Hafen dieser Größe nicht mehr gebraucht wird. 33 Hektar wurden für eine andere Nutzung freigegeben. Innerhalb von etwa 40 Jahren entstand im ehemaligen Industriehafengelände ein nicht nur für Architekturliebhaber reizvolles Viertel.
Hier wird deutlich, dass der Medienhafen immer noch ein richtiger Hafen für den Umschlag von Gütern ist. Das Containerschiff ist auf dem Weg ins nächste Hafenbecken.
Alte Gebäude wurden ganz oder zum Teil abgerissen oder saniert und mit neuen Elementen versehen. Ein wunderbares Beispiel ist die Plange Mühle. 1906 als Weizenmühle errichtet wurde sie in den 1990er Jahren stillgelegt. Seit der Sanierung und dem Neubau werden die loftartigen Räume als Büro- und Ausstellungsflächen genutzt. Der denkmalgeschützte Uhrenturm ragt aus dem Neubau heraus. Das Design stammt von der Düsseldorfer Archtitektengruppe Ingenhoven Overdiek und Partner.
Am Ende der Speditionsstraße ragt der massige Bau des Designhotels Hyatt Regency empor. Die Zimmerausstattung und die Preise sind durchaus mit denen von Luxushotels in Singapur vergleichbar. Entworfen wurde das Gebäude von der Architektengruppe SOP/JSK. Zum architektonischen Ensemble gehört auch die Fußgängerbrücke.
Ein weiterer Übernachtungsort ist das Innside Düsseldorf Hafen Hotel im sog. Colorium. Das 17-geschossige Gebäude wurde 2001 als Büro- und Geschäftsgebäude fertigestellt und 12 Jahre später zum Hotel umgebaut. Entworfen wurde es vom britischen Architekten William Allen Alsop. Als Vorhangfassade wurden mehr als 2200 mit leuchtenden Farben bedruckte Glaspaneele aus Wärmeschutzisolierglas angebracht. Diese Fassade spiegelt sich im Wasser des Hafenbeckens.
Von der Hafenspitze blicke ich hinüber zum Rheinturm. Er machte 1982 den Anfang der neuen Bebauung; mit 240 Metern ist der Stahlbetonturm das höchste Bauwerk der Stadt. Oben befindet sich ein Restaurant, das sich stündlich einmal um die eigene Achse dreht und eine Aussichtsplattform. Außerdem wurde ein Yachthafen angelegt; Fische und ihre Feinde kehrten zurück.
Zu den wohl bekanntesten und auffälligsten Bauten gehört das Dreier Ensemble Neuer Zollhof 1-3. Der Gesamtentwurf stammt vom weltweit bekannten Architekten Frank O. Gehry. An diesen Gebäuden scheint es keine gerade Linie zu geben. Insgesamt 1531 Fensterboxen ragen aus den drei Gebäuden mit den unterschiedlichen Fassaden heraus. Der Neue Zollhof 3 ist weiß verputzt,
während der niedrigere Neue Zollhof 2 mit einer Edelstahlfassade verkleidet wurde. In ihr spiegeln sich die Schwestergebäude zur rechten und zur linken Seite. Ein wahres Meisterwerk. „In Gehrys Büro wurden die Modelle mit Hilfe eines 3-D-Scanners zunächst abgetastet. Die Außenkonturen wurden dann in dem Computerprogramm CATIA gespeichert. Mit den Computerdaten des Modells wurden Fräsmaschinen gesteuert, die aus Styroporblöcken die Schalungselemente herausschnitten. Auf diese Weise konnten die 355 verschiedenen, nicht tragenden Stahlbeton-Fertigteile hergestellt werden, die den Innen- und Außenformen der Fassade entsprechen. Der Neue Zollhof 2 gilt weltweit als das erste Gebäude, das vollständig in Freiformflächen aus Stahlbeton gebaut wurde.“ (aus: Architektur im Medienhafen, Architektenkammer Nordrhein-Westfalen)
Vom Medienhafen führt eine breite Promenade am Rhein entlang zum nächsten architektonischen Highlight: Die Kö-Bögen I und II. Mitten im Zentrum, am Ende der renommiertesten Einkaufsstraße Düsseldorfs, entwarf Daniel Libeskind, der US-amerikanische Architekt mit polnisch-jüdischen Wurzeln, ein Büro- und Geschäftsgebäude. Die Fassade aus Glas und weißem Naturstein wird zur Nord- und Westseite mit sog. Cuts aufgebrochen. Der angrenzende Hofgarten scheint sich an der Gebäudefassade fortzusetzen, denn in den Fassadeneinschnitten befinden sich Mikrogärten. Diese werden automatisch bewässert und gedüngt. Libeskind sagt: „Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind Bauwerke keineswegs leblose Objekte. Sie leben und atmen und besitzen genau wie wir Menschen ein Inneres und Äußeres, einen Körper und eine Seele.“ Das spiegelt sich in seiner Architektur wieder.
Der Kö-Bogen II ist noch im Bau, doch die acht Kilometer lange Hainbuchenhecke ist bereits gepflanzt. Acht Kilometer. Wie geht denn so etwas mitten in der Innenstadt wo Raum knapp und teuer ist? Quer durch Düsseldorf? Nein, auf dem Dach und an der Fassade des Gebäudes. Mehr als 30.000 Pflanzen. Die Hainbuche ist in Europa heimisch, kommt mit trockenen Sommern gut zurecht und hält im Winter auch Minusgrade aus. Sie hält ihre Blätter über den Winter und wirft sie erst mit den neuen Blättern im Frühjahr ab. Die Hecken sind Bestandteil des Gebäudekonzepts. Im Sommer halten sie die Sonnenstrahlen fern, sie binden CO2, speichern Feuchtigkeit, dämpfen Lärm. Das alles ohne zusätzlichen Raum zu beanspruchen, denn das Dach ist ja da. In diesem phantastischen Gebäude sind nicht etwa exklusive Designergeschäfte untergebracht sondern Discounter. Ausgedacht hat sich dieses Konzept die Architektengruppe Ingenhoven Overdiek und Partner.
Im unteren Teil der Fassade spiegelt sich das Düsseldorfer Schauspielhaus. Das Haus wurde 1965-1970 nach den Plänen von Bernard Pfau errichtet und steht seit 1998 unter Denkmalschutz. Nach vierjähriger Sanierung durch ingenhoven architects sollte es im Sommer 2020 wiedereröffnet werden. Ein Virus mit der Bezeichnung Covid19 machte einen Strich durch die Rechnung.