Es ist heiß und windstill. Jetzt, im September, ist Trockenzeit und die Temperaturen im Lower Sambesi Nationalpark können die 40-Grad-Celsius-Marke schon mal übersteigen. So wie heute. Wir passen uns an. Noch vor Sonnenaufgang gegen 6 Uhr schlendern wir schlaftrunken zur Kaffeetränke im Restaurant unserer Lodge am Rande des Lower Sambesi Nationalparks. Ein paar Kekse liegen auch bereit. Frisch gestärkt laufen wir in freudiger Erwartung die gut dreißig Treppen hinab zum Bootssteg direkt am Sambesi. Wir sind zu Fünft – jeder hat zwei Plätze für sich. Das brauchen wir auch, denn wir sind alle schwer bewaffnet: Mit Kameras und Objektiven. Meine Ausrüstung besteht aus zwei Kameras; die eine ist mit einem Teleobjektiv bestückt, die zweite mit einem Weitwinkelzoom. So kann ich sowohl Landschaft als auch Vögel fotografieren ohne ständig das Objektiv wechseln zu müssen.
Unsere Unterkunft liegt in der Nähe der Mündung des Flusses Kafue in den Sambesi. Der Sambesi fließt träge in seinem rheinbreiten Flussbett. Für Vogelfreunde sind die Flussufer ein Juwel. Mehr als 400 Vogelarten wurden gesichtet – nicht von uns, aber wir sind auch nur zwei Tage vor Ort und noch dazu keine Ornithologen. Mein persönliches Highlight ist der Haubenzwergfischer – ein Vogel aus der Familie der Eisvögel. Der kaum mehr als 10 Zentimeter große Vogel lässt unser Boot ganz nah an seine Sitzwarte heran. Das haben wir vor allem dem erfahrenen Bootsführer Charles zu verdanken. Er entdeckte den Zwergfischer schon von weiten, stellte den Motor auf Leerlauf und ließ das Boot ans Ufer treiben. Der Ansitz des Vogels liegt auf unserer Augenhöhe. Er hält Ausschau nach kleinen Fischen und Libellenlarven, gerade hat er jedoch nur uns im Blick.
Im seichten Uferwasser entdeckt Hannes einen gezackten Ast. Haha. Bloß nicht anfassen.
Der Ast ist ein ruhendes Nilkrokodil. Am flachen, sandigen Ufer liegen noch weitere zum Teil stattliche Exemplare. Kommt unser Boot zu nah ans Ufer, springen sie auf und flüchten ins Wasser.
Die großen, so behäbig und träge aussehenden Tiere sind so schnell, dass es uns nicht gelingt ein Foto von einem Krokodil beim Eintritt ins Wasser zu schießen. Wir lösen beinahe gleichzeitig aus, aber einer hat den Kopf, der andere hat den Schwanz, der Dritte nur noch spritzendes Wasser abgebildet. Warum sind diese bis zu vier Meter langen Tiere mit dem imposanten Gebiss so ängstlich? Bis in die 1980er Jahre wurden Nilkrokodile so stark bejagt, dass sie vom Aussterben bedroht waren. Heute ist die Jagd verboten; die Bestände haben sich erholt, aber die Tiere haben sich offensichtlich gemerkt, dass sie an Land den Menschen fürchten müssen.
Wir beobachten auch einen Weißkehlwaran, der mit seiner langen Zunge auf Beutesuche ist. Er ist ein tagaktiver Einzelgänger. „Bis zu fünf Kilometer können die Tiere täglich bei ihrer Nahrungssuche zurücklegen“, erzählt Dulani. Der Waran sucht Schnecken, Hundertfüßler, Grillen und durchaus auch Eier von bodenbrütenden Vögeln.
Die Eier von Blaustirn-Blatthühnchen stehen auch auf dem Speiseplan des Warans. Doch gerade scheint keine Gefahr von ihm auszugehen. Bei den Blaustirn-Blatthühnchen sind die weiblichen Tiere größer als die männlichen. Außerdem sind sie polyandrisch, das heißt, das dominierende Weibchen paart sich mit mehreren Männchen. Brutpflege ist Männersache, während das Weibchen die Reviergrenzen bewacht. Beide Geschlechter haben auffällig lange Krallen und Zehen.
Weil sie dadurch ihr Gewicht gleichmäßiger verteilen können, laufen sie mit großer Leichtigkeit auf Wasserpflanzen.
An manchen Stellen ist das Ufer steil. Hier brüten Bienenfresser, genauer gesagt Karminspinte und Weißstirnspinte.
Gegen 10 Uhr sind wir zurück im Camp und frühstücken ausgiebig. Danach schreiben wir Tagebuch, lesen, genießen die Ruhe, sitzen am Pool oder auf der Terrasse, genießen die Aussicht auf den Sambesi und schauen die Fotoausbeute vom Morgen an. Mittags gibt es einen Snack und gegen 16 Uhr sind wir bereit für die nächste Pirschfahrt. So sieht ein typischer Tag in einem sambischen Buschcamp aus.
Am nächsten Morgen sitzen wir schon um 5:30 Uhr wieder im Boot. Wir wollen heute in den Lower Sambesi Nationalpark. Der gut 4000 km² große Nationalpark erstreckt sich entlang des Sambesis bis zur Grenze nach Mosambik. Der Sambesi bildet hier die Grenze zwischen Sambia und Simbabwe; am gegenüber liegenden Ufer in Simbabwe befindet sich der Mana Pools Nationalpark. Dorthin kommen wir später.
Zunächst war geplant mit dem Allradfahrzeug zu fahren, doch das hätte gut zwei Stunden Schaukelei auf staubiger schlechter Piste bedeutet. Eine geteerte Zufahrt gibt es nicht. Darin liegt der Reiz dieses Nationalparks: Seine Unzugänglichkeit. Ansammlungen von Touristen sind hier selten. Die Bootsfahrt ist kürzer, kühler und ruhiger. Und interessanter. Immer wieder müssen Sandbänke und Inselchen umfahren werden. Außerdem schlafen Flusspferdfamilien im seichteren Wasser. Daher sitzt der zweite Bootsführer im Bug und ruft hin und wieder warnende Kommandos an den Schiffsführer. Eigentlich wollten wir ohne Stopp durchfahren, doch dann ist dieses U-Boot im Weg.
Ein Grenzgänger. Ein Elefant hat sich von der simbabwischen Uferseite (Mana Pools Nationalpark) auf den Weg zu einer Insel im Sambesi auf sambischer Seite gemacht. Er ist an den satten Gräsern interessiert. Die Landesgrenze kennt er nicht und sie ist auch nicht wichtig.
Zwei Stunden später legen wir an einem unbefestigten Anleger an. Über einen Pfad erreichen wir ein Betonhäuschen, kaum größer als eine Garage. Davor sitzt ein Ranger. Er trägt unsere Namen sorgfältig in ein Buch ein und kassiert die Gebühr von 25 USD pro Kopf.
Nun besteigen wir das wartende Safarifahrzeug und düsen los. Zunächst sehen wir nur wenige Tiere. Der Park ist gut 4000 km² groß und teilweise sehr hügelig. In der Regenzeit stehen weite Teile in der Uferregion unter Wasser. Für uns kaum vorstellbar, denn es hat seit Monaten nicht geregnet und ist staubtrocken. Die herausragenden Bäume sind stattliche Baobabs und Anabäume, eine Akazienart die während der Trockenzeit grün ist.
Der Baobab oder Affenbrotbaum gehört zu den Malvengewächsen. Er kann gigantische Mengen Wasser speichern und überlebt so auch länger anhaltende Trockenperioden. Einige Hundert Jahre können die Bäume alt werden. Elefanten bedienen sich auch gern am Wasservorrat und schälen dafür die Rinde ab. Solch ein malträtierter Baum steht ebenfalls am Weg.
Dann ist da plötzlich die Elefantenkuh mit ihrem Kalb im Schlepptau. Wir halten an. Die Kuh kommt näher. Sie ist ganz entspannt. Sie hat uns im Blick aber sammelt weiter die Samen des Anabaumes mit ihrem Rüssel auf. Sie steht direkt neben unserem Fahrzeug und könnte uns mit ihrem Rüssel berühren. Ich höre beinahe auf zu atmen. Diese Kuh scheint uns zu vertrauen und wir vertrauen ihr.
Elfenbein ist immer noch ein begehrtes Gut. 2015 fielen mehr als 80 Elefanten im Lower Sambesi dieser menschlichen Gier zum Opfer. Dank der Antiwilderei-Patrouillen, der Strafverfolgung und der Aufklärungsarbeit der Non-Profit-Organisation CLZ (Conservation Lower Zambezi) konnte die Wilderei um 70% verringert werden. Die Organisation wird von allen Camps im Park finanziell unterstützt; alle Gäste zahlen einen Zwangsbeitrag. So sind die Elefanten hier recht entspannt.
Wir fahren weiter. Zeit für’s Mittagessen. Die mitgebrachten Safaristühle werden an einem noch wasserführenden Flussarm aufgestellt. Bevor wir aus dem Auto aussteigen dürfen, prüft Dulani, unser Guide, ob die Luft rein ist, das heißt, er schaut dass kein Leopard im Baum liegt, kein Löwe im Gras schläft und kein Elefant hinterm nächsten Busch steht. Während wir mit Genuss Hähnchenkeulen mit Kartoffel- und Bohnensalat verspeisen, grasen am anderen Flussufer Impalas; Elefanten kommen zum Trinken und Baden und bei längerem Hinsehen entdecken wir sogar die riesigen Nilkrokodile.
Frisch gestärkt fahren wir weiter. Aber nur ein kurzes Stück. Drei Löwenkater haben schon vor ein paar Tagen einen Kaffernbüffel gerissen. Jetzt liegen zwei von ihnen schlafend unter einem Baum während der dritte den Riss bewacht und immer wieder daran leckt und knabbert. Interessierte Kappengeier sind ebenfalls schon zur Stelle, aber in sicherer Entfernung.
Von der anderen Seite des Wasserlaufes kommt eine kleine Elefantenherde. Es scheinen alles Junggesellen zu sein. Sie haben ausgiebig im Schlamm gebadet und kommen den Löwen gefährlich nah. An dem erlegten Büffel haben die Elefanten jedoch kein Interesse.
Auffällig ist hier, dass viele Elefanten nur einen oder gar keinen Stoßzahn haben. Normalerweise haben bei afrikanischen Elefanten beide Geschlechter Stoßzähne. Es kommt jedoch vor, dass gar keine wachsen. Elefanten nutzen ihre Stoßzähne um damit (nach Wasser) zu graben oder die Rinde von Bäumen zu schälen. Die Zähne nutzen sich bei manchen Tieren extrem stark ab, es kann zu Entzündungen kommen, der Zahn fällt aus oder wird abgestoßen. Eine Hypothese, erklärt Dulani, warum es hier so viele zahnlose Elefanten gibt ist, dass Elefanten im Lauf der Generationen gemerkt haben, dass Tiere ohne Stoßzähne nicht gejagt werden und damit länger leben.
Am späten Nachmittag machen wir uns auf den Rückweg und genießen einen wunderschönen Sonnenuntergang auf dem Sambesi. Der Weg hat sich gelohnt, wie auch der Lower Sambesi Nationalpark.
Fahrt von Lusaka zum Lower Sambesi Nationalpark
Wie sind wir in die Kiambi Safari Lodge gekommen? Mit unserem eigenen Fahrzeug und Guide. Wir sind in Lusaka in der Nähe des Flughafens gestartet und mussten die Stadt durchqueren. Zum Glück ist heute Sonntag und wenig Verkehr – wochentags kann es schon mal vier Stunden dauern bis man Lusakas Permastau hinter sich hat.
Wir fahren zunächst durch ein Mittelklasseviertel. Etwa drei Personen bewohnen ein Haus, die Miete kostet etwa 500 USD. Mit dem Gehalt eines Lehrers von 300 USD ist das kaum zu bezahlen. In den ärmeren Vierteln bewohnen bis zu 18 Personen ein Haus mit einer Toilette. Die Straßen sind voller Menschen. Es gibt einen großen Supermarkt – von Chinesen betrieben. Hier wird alles supergünstig angeboten. Händler kaufen hier günstig große Mengen ein und verkaufen die Ware stückweise auf dem kleinen Markt im Viertel.
Das Kontrastprogramm folgt direkt: Im Viertel der gut Betuchten kostet eine Wohnung etwa 150 USD – pro Tag.
Dann endlich ist die Stadt durchquert. Wir sind auf der gut ausgebauten Landstraße. Hauptsächlich begegnen uns schwer mit Kupfer beladene LKWs. „Die LKW-Fahrer werden pro Ladung bezahlt“, erzählt Dulani, unser Fahrer und Guide. „Würden sie pro Monat bezahlt, führen sie zu langsam und machten zu oft Pause.“ So heizen sie durch, so schnell wie es geht, solange wie es geht …
Wir fahren durch eine stark hügelige Landschaft. Die Aussicht könnte schön sein, doch die Luft ist diesig, voller Qualm. Hier werden an vielen Stellen Bäume und Unterholz abgeflämmt.
Die Menschen machen daraus Holzkohle und verkaufen diese am Wegrand. Eine andere Einnahmequelle haben sie meist nicht. Die Arbeitsperspektiven in Sambia sind gering; die Arbeitslosenquote liegt bei 70%. Jobs gibt’s hauptsächlich bei der Regierung und im so genannten Kupfergürtel.
Am Red Dot machen wir Halt. Hier liegen eine Rechts- und eine Linkskurve direkt hintereinander. In dieser Kurvenkombi fahren viele LKWs auf Grund von überhöhter Geschwindigkeit geradeaus den Hang hinunter. 800 Meter tief. Bei einem Unfall ist die Dorfbevölkerung sofort zur Stelle. Nicht um zu helfen; meist kommt jede Hilfe ohnehin zu spät. Nein, die Ladung ist interessant – es ist eine Einnahmequelle. Es hat Zeiten gegeben, da wurde Öl auf die Straße gestrichen um einen Unfall zu provozieren! Moderne Wegelagerei. Deshalb sitzen heute auch zwei Polizisten auf einem felsigen Ausguck und halten Wache.
Wir erreichen den Chirundu Petrified Forest, einem versteinerten Wald. Alenga Amos, der Wächter, hat sich den Fuß gebrochen und wird mit Gipsbein von einem Verwandten getragen. Ordentliche Krücken hat er nicht, nur einen Holzknüppel.
„Diese Baumstämme stammen von Zedernbäumen, die hier vor etwa 130 Mio. Jahren wuchsen“, erzählt Amos. „Es gab einen Klimawandel, die Zedern starben; Silicat aus Sand entzog den Stämmen die Flüssigkeit – sie versteinerten.“ Überall im Dorf liegen Stammstücke herum und ein paar Meter den Hang hinab gibt es sogar noch zwei komplett erhaltene Stämme.
Für die gut 120 Kilometer auf der gut ausgebauten, kostenpflichtigen T 2 über Kafue nach Chirundu brauchen wir viereinhalb Stunden. So kommen wir leicht verspätet zum Mittagessen in der Kiambi-Safari Lodge am Rande des Lower Sambesi Nationalparks an. Die Übernachtungspreise sind hier moderat (160 USD/Kopf und Nacht im Doppelzimmer für ein Safari-Bungalow inkl. Vollpension). Die Hütten liegen weit auseinander, versteckt zwischen hohen Bäumen. Alle haben eine Terrasse und Blick auf den Sambesi. Unsere Hütte ist mit Ventilator, relativ kleinem Moskitonetz und Kühlschrank ausgestattet. Wer es günstiger möchte mietet eine Selbstversorgerhütte oder einen Platz für’s eigene Zelt. Im Nationalpark selbst darf auch übernachtet werden: Für diese Unterkünfte sind dann jedoch gleich zwischen 500 und 1000 USD/Nacht und Kopf fällig. Camping innerhalb des Parks ist nicht erlaubt.
Wir hatten unsere Reise als Privatreise über Wigwam Naturreisen gebucht und waren mehr als 100% zufrieden bei hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Vorher besuchten wir noch den South Luangwa Nationalpark und die Victoriafälle.
Literatur: Ilona Hupe, Manfred Vachal: Reisen in Zambia, Hupe Verlag