Sechs Tage verbringen wir auf der Insel Pico. In diesen sechs Tagen hätten wir genau ein Mal die Chance gehabt den höchsten Berg Portugals, den Pico (2351 Meter), zu besteigen. An allen anderen Tagen hingen schon morgens dicke Wolken an seinen Hängen. Warum haben wir uns trotzdem nicht an den Aufstieg gemacht? Wegen unserer Wetter-App.
Wie jeden Abend konsultierten wir mehrere Wetter-Apps. Für den nächsten Tag rechneten alle Apps mit sehr viel Regen am Morgen, daher setzen wir das Walmuseum in Lajes auf unser Programm. Beim ersten morgendlichem Blick aus dem Fenster zeigten Himmel und Berg keine Wolken, doch das Wetter ändert sich ziemlich schnell auf den Azoren. Die App erwartet immer noch heftigen Regen. So frühstücken wir gemütlich. Warten auf den Regen. Nach zwei Kaffee schauen wir nochmals vom Balkon unserer Ferienwohnung in Lajes Richtung Pico: Immer noch keine Wolke in Sicht, nicht mal ansatzweise. Ganz im Gegenteil – so klar war es bisher an noch keinem Morgen. Wir springen in die Wanderstiefel und ins Auto.
Als wir am Wanderparkplatz ankommen sind wir ausnahmsweise nicht die Ersten. Für die Besteigung des Pico werden täglich nur 320 Personen zugelassen, man muss sich registrieren und 20 Euro bezahlen. Ich frage den Ranger nach der Wetterprognose, denn meist hat sich der Berg gegen Mittag eingewolkt. „Tja, laut Prognose haben wir jetzt heftigen Regen …aber es sieht gut aus, wenn Ihr gute Wanderer seid, geht rauf“. Es ist bereits neun Uhr; für die Besteigung braucht man mindestens sechs Stunden (ohne Pausen); ich gehe langsam, also brauche ich sieben bis acht Stunden. Ich wandere, weil ich die Landschaft und die Natur genießen möchte. Ich möchte Fotos machen. Ich marschiere nicht um mich später rühmen zu können, den höchsten Berg Portugals bestiegen zu haben. Wir passen – und genießen die Aussicht.
Als gute Alternative zur Pico-Besteigung verlustieren wir uns (fotografisch versteht sich) mit ein paar Kühen, die friedlich am Wegrand grasen – bis wir kommen.
Furna de Frei Matias
Nun machen wir uns auf die Suche nach einem frei zugänglichen Lavatunnel in der Nähe. Im schönsten Sonnenschein in einen dunklen Tunnel in den Berg hinab steigen zu wollen ist schon bescheuert, aber wo wir gerade in der Gegend sind, ist das Wetter auch egal. Von der Hauptstraße gibt es keinerlei Wegweiser zum Lavatunnel, aber die Öffnung ist in OSM eingetragen, so üben wir quasi Tunnel-Geo-Caching. Mitten auf einer Wiese ist ein Loch in der Erde;
ein paar Treppen führen in die Tiefe. Wir sind nicht die Ersten, aber gerade die Einzigen.
Mit Stirnlampe und LED-Leuchte beleuchten wir die schroff gezackten Felswände. Schwarzes, rotes und graues Lavagestein umgeben uns. Es ist still. Die Decke ist gespickt mit kleinen Stalaktiten, sieht aus wie kleine Eierkartons. Es tropft. Ich hole mein kleines Stativ aus dem Rucksack (Xhia Little Elephant) und versuche die Umgebung irgendwie festzuhalten.
Die Röhre ist insgesamt 600 Meter lang, aber nur gut 100 Meter sind passabel gut beinahe aufrecht zu gehen. Dann wird der Tunnel unzugänglicher.
Es kommt plötzlich eine Vierergruppe junger Leute. Die beiden Frauen bleiben am Höhleneingang stehen, die beiden Männer laufen vor, Richtung unzugänglichem Bereich, machen flott ein paar Fotos mit dem Handy und sind nach maximal zwei Minuten wieder weg.
Wir bleiben noch etwas und genießen die Stille.
Als wir gegen Mittag wieder ans Tageslicht kommen, ist der Pico hinter einer dicken Wolkenschicht verschwunden. Auch wenn wir anfangs verärgert waren, weil wir der Wetter-App und nicht unseren Augen trauten, so sind wir jetzt glücklich, in der Tunnel-Höhle gewesen zu sein. Die Spitze des Picos hätten wir selbst mit strammem Wanderschritt nicht vor den Wolken erreicht.
Wir sind zwischen den Wolken und schauen zur Küste nach Madalena, der Hauptstadt Picos.
Madalena
In Madalena parken wir den Leihwagen in der Nähe der ehemaligen Konservenfabrik von Cofaco. Hier startet der Wanderweg durch die Weinberge.
Der Weg ist recht eintönig. Mit Natursteinmauern eingezäunte Parzellen mit Weinstöcken rechts, mit Natursteinmauern eingezäunte Parzellen mit Weinstöcken links.
Wir laufen bis zur überall erwähnten Windmühle Moinho do Frade, die heute sogar geöffnet ist.
Weinanbau auf Pico begann bereits 1460 mit der Pflanzung der ersten Verdelho-Reben. Aus Verdelho werden trockene, charaktervolle Weißweine und leicht süßliche Weine gewonnen. In großem Stil begann der Weinanbau jedoch erst nach den Ausbrüchen des Pico in den Jahren 1718 und 1720. Die Obst- und Gemüsefelder waren unter einer dicken Schicht Lavaasche verschwunden. In Handarbeit begannen die Menschen aus Lavasteinen Mauern zu ziehen und die Felder zu parzellieren. Die Mauern hielten den Wind und die salzhaltige Gischt fern, zugleich spendeten die Steine Wärme. Zu hoch durften die Mauern allerdings nicht sein, damit noch genügend Sonnenlicht einfällt. So ist die gesamte Landschaft rund um den Pico von kassettenförmigen Steinmauern umgeben. Das ist einzigartig und erhielt deswegen den Status des UNESCO Weltkulturerbes.
Einst wurde der Verdelho von Pico weltweit exportiert. Doch mit einem Schlag war alles vorbei: Ein wenige Millimeter großes Insekt war mit amerikanischen Handelsschiffen eingewandert – die Reblaus. Die Winzer waren machtlos. Die Verdelho-Reben gingen ein, vielerorts wurde der Weinanbau aufgegeben. Einige Winzer setzten nun auf amerikanische Isabella-Reben – diese sind gegen die Reblaus resistent. Aus diesen Reben wird im Wesentlichen ein süffig-fruchtiger Rotwein gekeltert, der Cheiro. Vor gut 150 Jahren waren etwa 16.000 Hektar mit Weinreben bepflanzt – heute sind es nur noch 2000 Hektar. Heute werden Castelao, Bual, Baga, Saborinho, Malvasia, Fernao Pires und Sercial angebaut. (Quelle: Michael-Müller-Reiseführer) Einen guten Eindruck vom Weinanbau vermittelt das Weinmusem.
Wanderung zum Leuchtturm von Ponta da Ilha zur Baia Calhau
Ein aussichtsreicher Rundweg von etwa zwei bis drei Stunden führt von Manhenha über Piedade und die Bahia Calhau zum Leuchtturm Ponta da Ilha. Wir starten im kleinen Fischerdorf Manhenha. Das Meer ist heute ziemlich aufgewühlt und spektakulär anzusehen.
Der Leuchtturm Farol Ponta da Ilha liegt eingebettet in schwarzes Lavagestein.
Der offizielle Wanderweg führt direkt über die schwarzen, schroffen Steine – nein, das ist uns zu mühsam – wir wählen die einfach zu laufende wenn auch eher langweilige Straße.
Zunächst führt der Weg von der Küste weg zwischen Feldern und ehemaligen Weinbergen ein Stückchen hinauf nach Piedade. Dann geht’s hinunter an die Küste. Die Menschen sind ausgesprochen humorvoll.
Als wir von oben auf den kleinen Fischerort der Baia do Calhau blicken, überlege ich kurz, ob es sich wohl lohnt die steile Straße zum Dorf hinunterzuwandern. Wir müssen auf jeden Fall auf diesen Küstenweg oberhalb des Ortes zurück. Mein innerer Schweinehund sagt: „Nein, keine Lust“ mein Mann sagt: „Sei nicht so faul und vielleicht gibt es dort ja auch etwas Süßes“. Dieses Argument überzeugt mich meistens, so auch dieses Mal und das war gut so. Das Örtchen ist nicht nur hübsch.
Es gibt ein tolles Meerwasserschwimmbecken an der Ponta do Lajido
aber vor allem ist dort ein neu eröffnetes Restaurant mit Kuchen und hervorragendem Kaffee zum kleinen Preis. (Die anderen Gäste sitzen mit einem Fläschchen Wein beim Mittagstisch, das Essen auf deren Tellern sieht lecker aus.)
Lajes do Pico
Wir übernachten in Lajes, dem Ausgangsort für Walbeobachtungen. Unser Interesse an Walbeobachtungen hält sich in Grenzen, aber der Ort bietet alles was der gemeine Tourist benötigt: Unterkünfte, Restaurants, Supermarkt, Museum, Meerwasserfreibad.
Einst lebte Lajes vom Walfang, in der ehemaligen Fabrik ist heute ein Museum eingerichtet.
Sao Roque do Pico
Die Menschen von Pico lebten einst vom Walfang. In erster Linie wurden Pottwale erlegt. Die ehemalige Walverarbeitungsfabrik in Sao Roque ist ein Muss für jeden Besucher / jede Besucherin von Pico.
Wurde vom Ausguck an Land der Blas eines Wals gesichtet, wurde mit dem Abschuss einer Rakete Alarm geschlagen und die Bauern rannten von ihren Feldern zu den Booten an der Küste. Die etwa elf Meter langen Holzboote waren mit sieben Mann besetzt. Bewegt wurde das Boot durch Rudern oder bei gutem Wind, durch Segel. Vorn stand der Harpunier.
War der Wal nahe genug, schleuderte der Harpunier von Hand seine Harpune ab. War der Wal erlegt wurde das tonnenschwere Tier zur Verarbeitungsfabrik an Land gebracht.
Im Wesentlichen wurde Tran aus dem Fettgewebe hergestellt, aber auch die Zähne waren beliebt und als Elfenbein des Meeres bekannt. Aus Walzähnen wurde so ziemlich alles hergestellt. Eine schöne Kollektion findet Ihr im Walmuseum von Lajes.
Rund um die Azoren sollen bis zu 20.000 Pottwale erlegt worden sein – die meisten jedoch von amerikanischen Walfangbooten. 1983 wurde der Walfang aufgegeben, weil er unrentabel geworden war. Heute werden die Wale nur noch mit der Kamera gejagt.
Lagoa do Capitao
An der gut ausgebauten Passstraße, die quer über die Insel führt, liegt der überaus fotogene Lagoa do Capitao. Wie so oft haben Frühaufsteher die besten Chancen einen freien Blick auf den Pico zu erhaschen. Wir waren von acht bis neuen Uhr am See.
Sowohl auf Pico als auch auf Sao Jorge fällt uns ein Verkehrszeichen ins Auge, das wir bei uns in Nordrhein-Westfalen noch nicht gesehen haben. Achtung Tiere auf der Straße verstehen wir, aber was soll uns das von Steinen umgebene Auto wohl sagen? Extremer Steinschlag? Auf einer Hochlandebene? Wohl kaum.
Eine letzte Anmerkung: Alle Angaben beruhen auf meinen persönlichen Erfahrungen. Alle Links sind private, persönliche Empfehlungen, es handelt sich nicht um bezahlte Werbung.