Torres del Paine, 1. Versuch
Januar 1994: Zugegeben, mein Mann und ich waren beiunserem ersten Besuch des Torres del Paine Nationalparks im Süden Chiles etwas naiv. Wir sind einfach mit dem Bus angereist, wollten ein paar Tage bleiben, ein bisschen wandern und dann weiterreisen. Im restlichen Teil des Landes hatten wir damit kein Problem, doch von November bis März ist im Torres del Paine Nationalpark Hochsaison und wer kein Zimmer reserviert hat oder ein Zelt mitbringt, hat schlechte Karten. Es ist kein Bett mehr zu bekommen. Also übernachten wir im 140 Kilometer entfernten Puerto Natales, der nächst größeren Stadt und buchen eine Tagestour mit vier anderen Reisenden.
Mit Bildern von einer grandiosen Landschaft, faszinierenden Berggipfeln und türkisfarbigen Seen im Kopf waren wir um die halbe Welt geflogen und was bekommen wir an diesem Tag? Regen, Sturm, dunkelgraues Wasser vor hellgrauen Wolken. Unser Fahrer gibt sich redlich Mühe uns die nicht zu sehenden Berg-Schönheiten zu beschreiben.
Wir erreichen den Glaciar Grey – ein Highlight dieser Tour. Draußen weht ein kyrillähnlicher Sturm, es regnet, es ist kalt. Aus dem Auto aussteigen? Wir sind doch nicht blöd! Nein Danke! Hier ist es warm und trocken und die Eismassen des Grey Gletschers kann ich auch mit dem Teleobjektiv gut heranholen. Unser Guide ist jedoch der Meinung wir sollten trotzdem aussteigen und zum Gletschersee laufen, sonst hätten wir doch unseren Regencape umsonst mitgenommen! Das ist natürlichein schlagendes Argument! Immer noch wenig begeistert steigen wir unserem Fahrer und Guide zuliebe aus und wandern Richtung Gletscher.
Der Regen lässt nach, es wird heller, ja es erscheint sogar ein Sonnenstrahl der die unzähligen Eisschollen im Gletschersee glitzern lässt. Plötzlich luken sogar bizarre Bergspitzen aus dem Wolkennebel hervor. Doch es handelt sich nur ein fünfzehnminütiges Intermezzo, danach verschwindet alles wieder im Einheitsgrau. Für uns hat es gereicht – wir werden wiederkommen!
Torres del Paine, 2. Versuch
Februar 1999: Dieses Mal sind wir besser vorbereitet und haben ein Doppelzimmer in der wunderschönen Hosteria „Las Torres“ am Fuß der Torres del Paine reserviert. Bei unserer Ankunft fällt leichter Nieselregen, aber zumindest sehen wir die drei senkrecht aufsteigenden Felsnadeln die dem 2420 km² großen Nationalpark seinen Namen gegeben haben. Morgen wollen wir zum Fuß der drei Bergspitzen wandern. Der nächste Morgensieht dann so aus:
Es schüttet. Die rabenschwarze Wolke ist genau dort wo unser heutiges Ziel liegt, doch der intensiv leuchtende, alles umspannende Regenbogen hebt unsere Stimmung und lässt uns hoffen. Wir frühstücken erst mal ausgiebiger als geplant und die Zeit wird’s Wetter schon richten. Nach einer Stunde zeigt der Himmel ein paar blaue Flecken, sofort brechen wir auf. Der Pfad ist gut undführt durch Südbuchenwald stetig bergauf. Eine herrliche hügelige Seenlandschaft breitet sich zu unseren Füßen aus.
Die letzten 45 Minuten sind aber doch mühsam: Der Waldweg geht in eine üble Moräne aus dickem Geröll über. Meine Wanderstöcke sind eher hinderlich, da sie dauernd zwischen den Felsbrocken stecken bleiben. Zur Belohnung gibt’s am Ende, in etwa tausend Metern Höhe, den Blick auf die Torres del Paine, dessen höchste Spitze von hier nochmals 1800 m senkrecht in die Höhe ragt.
Torres del Paine, 3. Versuch
Februar 2008: Dieses Mal bin ich mit einer Gruppe gekommen die seit zwei Wochen im argentinischen Teil Patagoniens unterwegs ist und dort mit Sonnenschein verwöhnt wurde. Alle habe ich instruiert: „Nehmt in jedem Fall Fleecejacke, Anorak und Regencape mit! Torres del Paine ist kalt, windig und nass!“ Die Anweisung wird brav befolgt – schließlich bin ich die einzige die schon mal dort war. Wir sind im „Refugio Torres“ untergekommen, einer preiswerteren Variante der Hosteria, allerdings mit einfachen 6-Bett-Zimmern. Der Abendhimmel ist bewölkt, in der Nacht höre ich den Regen auf das Blechdach prasseln. ‚Nun ja, gemeinsam Karten spielen macht auch Spaß, so wird wenigstens der gemütliche Aufenthaltsraum genutzt’. Mit diesen Gedanken schlafe ich weiter. Um 6 Uhr morgens wache ich auf und schaue mit einem halb geöffnetem Auge aus dem Fenster:
Selten bin ich so schnell aus dem Bett gefallen! Im Schlafgewand springe ich barfuß in meine Wanderstiefel, werfe die Fleecejacke über, greife zu Stativ und Kamera und spurte nach draußen. Zum Greifen nah, von der aufgehenden Sonne leicht gerötet und beinahe ohne Wolkenkrönchen stehen die Torres in majestätischer Erhabenheit vor meiner Linse. Allein diese Minuten des Sonnenaufgangs lassen jede Erinnerung an schlechtere Wetterverhältnisse ins Nirvana entschwinden.
Bei wolkenlosem stahlblauen Himmel, gut 25 Grad C und Windstille erleben wir einen völlig unpatagonischen Tag – die mittlere Temperatur im Sommer beträgt in dieser Region nur 11 Grad C. Alle machen sich lustig über meine schrägen Wetterprognosen auf die kein Verlass ist.
Der zum UNESCO-Biosphärenreservart gehörende Torres del Paine Nationalpark ist immer wieder für Überraschungen gut. Die phantastische Landschaft aus Bergen, Gletschern und Seen erscheint in jeder Minute in anderem Licht, ein ganzes Leben wird nicht ausreichen um alle Stimmungen einzufangen. Es ist mein Sehnsuchtsort an den ich immer wieder zurückkehren möchte, auch wenn das Wetter oft Kapriolen schlägt.