Im Zeichen der Reformation
Ein Jahr bevor sich der Anschlag von Martin Luthers 95 Thesen zum 500. Mal jährt, hat sich die Stadt des damaligen Geschehens fein gemacht, sie hat sich rausgeputzt. Nur vereinzelt gibt es noch ein paar marode, aber durchaus hübsche Gebäude. An manchen Stellen wird noch heftig saniert und renoviert,doch im Jahr 2017 sind alle Gerüste weg – das verspricht der Bürgermeister. In Wittenberg, der Lutherstadt, steht alles im Zeichen des großen Reformators: Lutherhaus, Luthergarten, Luthereiche, Luthersocke, Lutherschnaps. Ob es Herrn Luther gefallen hätte? Die Stadt ist in Bewegung. Mit Blick auf das Jubiläum ist ein ökumenisches Pilgerbüro entstanden („These62“), die „Kulturbotschaft“ steht als offenes Forum für den Dialog, die Stiftung Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik vermittelt „Ethik für den Alltag“. Um nur einige wenige zu nennen. Die Wittenberger sind bereit: Es wird ein großes Jahr werden in dem auf jeden Wittenberger Einwohner täglich sechs Gäste kommen. Doch neben dem großen Reformator gab es durchaus auch andere bedeutende Zeitgenossen wie Lucas Cranach (d.J. und d.Ä.) und den „Lehrer Deutschlands“ (Praeceptor Germaniae): Philipp Melanchthon. Die Geschichte dieser Männer wird in neuen Museen in alten Gemäuern mit allen vorhandenen technischen Mitteln erläutert. Der Besucher bestaunt die Tür der Schlosskirche an die Luther angeblich seine Thesen angeschlug. Angeblich. Gelehrte gehen heute davon aus, dass er die Thesen keineswegs an eine Kirchentür schlug. Es ist wahrscheinlicher, dass er sie mit Siegelwachs am Schwarzen Brett befestigte, um mit seinen Studenten darüber zu disputieren.
Fotos aus Lutherstadt Wittenberg
Wo geht der Besucher hin, sollte er mal keine Lust auf Luther und Geschichte haben? Da ist zum Beispiel eine Schule. Ein ehemaliger Plattenbau, nicht wirklich hübsch. Man gab Schülern Stifte in die Hand und ließ sie malen. Wie sieht ein in ihren Augen nettes Schulgebäude aus? Heraus kam ein Gebäude, das der Architektur von Hundertwasser sehr ähnlich war. Friedensreich Hundertwasser wurde um einen Entwurf gebeten und so erhielt das Luther-Melanchthon-Gymnasium seine Hundertwasserfassade aus runden Formen, klaren Farben und Bäumen, die aus Fenstern wachsen.
Hundertwasser Schule
Eine weitere Alternative ist der kleinste Tierpark Deutschlands. Verstecken muss sich der Park aber nicht: Erdmännchen, Nasenbären, verschiedene Krallenaffen und Eulenvögel lassen sich gut beobachten. Ja, es gibt sogar ein Aquarium in dem in der Hauptsache in der Elbe heimische Fische gehalten werden.
Die Elbe. Lutherstadt Wittenberg liegt mehr oder weniger an der Elbe, eher weniger. Vom Zentrum aus führt ein langer, hinweisloser Wiesenweg Richtung Fluss. Dann steht man an einer der zahlreichen Bunen und sieht den Strom. Mehr nicht. Die breiten Wiesen werden als Hochwasserüberlaufgebiet genutzt. 2013 breitete sich hier eine weite Seenlandschaft aus.
Doch es gibt auch Leben außerhalb Wittenbergs. 30 Minuten benötigt der Besucher mit dem Zug und dem Bus (mit separaten Tickets, einen Verbund gibt es nicht) nach Ferropolis, der Baggerstadt. Nach dem Aus des Braunkohletagebaus 1991 entstand auf dem Gebiet des Tagebaugebiets Golpa-Nord ein ansehnliches Museum und Industriedenkmal. Wie Giganten aus einer anderen Zeit stehen fünf eindrucksvolle Schaufelbagger und Absetzer am Rande eines künstlichen Sees. Leider darf das Ufer des Sees, der aus dem Tagebau entstanden ist, nicht betreten werden.
Fotos von Ferropolis
Fährt man 30 Minuten mit dem Zug in die andere Richtung wartet die Stadt Dessau-Roßlau mit dem Bauhaus, den Wohnhäusern der Bauhausmeister wie Gropius, Feininger, Schlemmer, Kandinsky und anderen. Die Ausstellungen im Bauhaus sind recht übersichtlich – wer jedoch eine Führung mitmacht kommt auch in nicht frei zugängliche Gebäudeteile.
Bauhausstadt Dessau
Mindestens ein Tag sollte für einen Besuch des Gartenreichs Dessau-Wörlitz reserviert werden. Das 1400-Seelen-Dorf Wörlitz verfügt über einen Schatz: Ein komplett renoviertes Schloss im Stil eines englischen Landschlosses. Es wurde nach Entwürfen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff für Fürst Leopold III. Friedrich Franz gebaut und nie zerstört oder geplündert. Selbst die Innenausstattung ist noch vollständig erhalten. Mit Filzpantoffeln an den Füßen polieren Besucher im Rahmen einer Führung das Originalparkett aus dem 18. Jahrhundert. Höhepunkt ist zweifellos der Gang die gut 100 Stufen auf’s Dach hinauf. Die Wände dort oben sind mit Palmen bemalt und sollen ein Gefühl von Südsee vermitteln. Von hier oben überblickt man einen der größten Landschaftsparks Deutschlands. Wer nicht gut zu Fuß ist, lässt sich mit einem gondelähnlichen Boot gemächlich durch die zahlreichen Kanäle rudern. Neben etlichen Skulpturen gibt es verschiedene kleinere Häuser wie zum Beispiel das Gotische Haus, den Venustempel, die Villa Hamilton und dazwischen Waldstücke, Wiesen, Kanäle, Fähren und zahlreiche Brücken. Dabei ist der Wörlitzer Park nur ein Teil des zum UNESCO Weltkulturerbe gehörenden Gartenreichs Dessau-Wörlitz.