In welcher Großstadt sind die Hügel steiler als in meiner Heimatstadt Wuppertal? In welcher Hauptstadt sind Straßen und Wege im Innenstadtbereich hauptsächlich mit Kopfsteinen gepflastert? Welche Großstadt hat mehr Hügel als Wuppertal? Die Antwort: Lissabon. Wir, mein Mann und ich, sind vier Tage zu Fuß, mit dem Bus oder mit der Straßenbahn unterwegs. Ich habe etwas von sieben Hügeln gelesen, aber es müssen mehr sein. Ständig laufen wir rauf und runter, rauf und runter. Das hält fit, die 10000 obligatorischen Schritte schaffen wir locker.
Lissabon ist eine nette, kompakte, ruhige, sympathische Stadt. Im Innenstadtbereich sind die Gassen so eng, dass nur sehr Mutige auf die Idee kommen, mit dem Auto zu fahren. Die Fortbewegung findet mit E-Bussen und etwas antiquierten liebenswerten Straßenbahnen statt. Mit der Linie 28 kannst Du zum Beispiel gemütlich durch die gesamte Altstadt fahren – allerdings rate ich entweder früh aufzustehen oder eine dezentrale Haltestelle zu wählen: Die Bahn ist sonst rappelvoll und ohne Fensterplatz macht es nur halbsoviel Spaß.
Unsere Ferienwohnung, Blue Sky Nest, haben wir über Booking.com gefunden. Sie liegt in einer ruhigen Sackgasse am Rande der Altstadt mit Blick über die Stadt. Sogar Schwalben fliegen an unserem Fenster vorbei.
Dank der vielen Hügel gibt es zahlreiche Aussichtspunkte, die immer einen Abstecher hinauf lohnen. Zum Beispiel der Miradauro Nossa Senhora do Monte.
Eher zufällig entdecken wir auf dem Weg zum Bahnhof Santa Apolónia das Pantheon, auch bekannt als Igreja de Santa Engracia.
Geplant wurde das Gebäude nämlich im 17. Jahrhundert als Barockkirche, doch diese wurde erst 1966 endgültig fertiggestellt. Aufgrund der langen Bauzeit ist im Portugiesischen „obras (Arbeiten) de Santa Engracia“ eine Bezeichnung für nie endende Arbeiten. Nun, das als Kirche geplante Gebäude wurde nie als Gotteshaus genutzt, sondern als Ruhestätte für namhafte Persönlichkeiten der portugiesischen Geschichte. So fanden unter anderen Vasco da Gama und Heinrich der Seefahrer hier ihre letzte Ruhestätte. Für uns besonders interessant war der unbeschwerliche Gang auf die große Dachterrasse am Fuß der mächtigen Kuppel. An einem herrlich sonnigen Tag blicken wir über die Stadt und auf den Hafen. Wir sind beinahe allein auf der riesigen Plattform.
Eine der Haupttouristenattraktionen, die Klosteranlage von Belem, sparen wir uns. Eine halbe Stunde bevor die Tore öffnen, ist die Besucherwarteschlange schon mehr als 100 Meter lang. Nein danke, so spannend finde ich Kloster nun auch wieder nicht.
Wo wir aber schon mal mit der Straßenbahn hierher gefahren sind, schlendern wir durch den weitläufigen Park und genießen die relative Ruhe am Denkmal der Entdecker mit Heinrich dem Seefahrer an der Spitze.
Statt dessen pilgern wir zu allen drei historischen Standseilbahnen der Stadt. Warum Treppen oder steilste Straßen hochlaufen, wenn’s eine bequemere Möglichkeit gibt. Da ist die Calacada do Gloria, 1885 errichtet. Sie überwindet die größte Höhe mit 48 Metern. Zunächst wurden die Standseilbahnen mit Wasserkraft angetrieben, in den Jahren 1914 bis 1916 wurden sie dann elektrifiziert. Die Stahlseile liegen unter der Straße und sorgen für den Massenausgleich. Der Wagen von oben zieht mit seinem Gewicht den von unten hoch. Das bedeutet, die Seilbahnen können nur gleichzeitig betrieben werden. Sie fahren je nach Tageszeit etwa alle 15 Minuten.
Die Calacada do Lavra wurdeein Jahr früher (1884) erbaut und ist mit 25 Prozent die steilste Strecke. Wir laufen die Trasse hoch und müssen uns, als sich die Bahn nähert, regelrecht platt an die Hauswand drücken. Zwischen Waggon und Körper bleibt eine gute handbreit Platz.
Der Asensor da Bica überwindet auf einer Länge von 260 Metern einen Höhenunterschied von 45 Metern. Insgesamt lohnen in meinen Augen alle drei Strandseilbahnen, denn jede hat eine andere Besonderheit.
Neben den Standseilbahnen ist da noch der Elevador Santa Justa. Seit 1902 verbindet dieser Aufzug Unter- und Oberstadt. Der Aufzug fährt 30 Meter hoch und ist ein Entwurf von Raoul Mesnier du Ponsard, ein Schüler von Gustave Eiffel. Bereits um 10 Uhr steht eine lange Schlange von Fahrwilligen davor. Er ist weniger ein Verkehrsmittel als eine Touristenattraktion. Wir reihen uns nicht ein.
Wenig Andrang herrscht beim Aquädukt (Aqueduto das Aguas Livres). Schon beim Anflug auf den Lissabonner Flughafen sah ich von meinem Platz auf der linken Seite diese herausragende Konstruktion und wusste: Da will ich hin. Mit 35 unterschiedlich weiten Bögen überspannt der 1732 bis 1748 errichtete Aquädukt das Vale de Alcantara auf einer Länge von 941 Metern.
Der höchste ist 65 Meter hoch. Darüber verläuft die übermauerte Wasserleitung, die auf beiden Seiten von einem Gehweg flankiert wird. Ganze zwei Euro kostet der Eintritt.
Nachdem wir den Gehweg gelaufen sind, wandern wir noch die seitlichen Treppen hinab ins Tal um das Bauwerk auch von Weitem zu bewundern. Warum wurde dieser Aquädukt überhaupt gebaut? König Joao V. musste das dringlichste Problem der wachsenden Metropole Lissabon lösen: Wasserknappheit. Das Wasser des Tejo ist wegen des Tidenhubs, der Meerwasser den Fluss hinaufdrückt, ungenießbar. Bereits im 16. Jahrhundert konnte die Stadt ihren Trinkwasserbedarf nicht mehr aus den Quellen am Burgberg und aus Regenwasserzisternen decken. Wasserträger mussten es zu Fuß aus den Bergen von Sintra heranschleppen. Der Aquädukt schaffte Abhilfe.
Tiere dürfen bei mir im Urlaub natürlich auch nicht fehlen: Europas größtes Aquarium, das Oceanário de Lisboa, entstand zur Weltausstellung (Expo) 1998. Es beherbergt es gut 8000 Meerestiere – von Haien, riesigen Rochen über Mondfische und Quallen bis hin zu Humboldtpinguinen und Papageitauchern.
Wer mit dem Eisenbahn oder der Metro zum ehemaligen Expo-Gelände fährt, kommt am Bahnhof Lisboa Oriente an. Dieser Bahnhof erinnert in seiner Architektur an den Bahnhof Liege Guilemens. Die Ähnlichkeit ist nicht von ungefähr; der Bahnhof wurde von Santiago Calatrava entworfen.
Direkt dahinter liegt das ehemalige Expo-Gelände. Besonders ins Auge fällt sofort die bunte Skulptur von Artur Bordalo „Iberischer Luchs“. Sie besteht aus gesammeltem Müll. Der Spaziergang entlang des Tejo beschattet unter Bäumen zum Torre Vasco da Gama lohnt sich. Wer dann noch das Aquarium besuchen möchte nimmt am bequemsten die Seilbahn.
Leider haben wir es in vier Tagen nur in ein Museum geschafft: Das Museo Calauste Gulbenkian. Die Sammlung ist unglaublich. Es beginnt mit ausgesuchten und ausgesprochen schönen Exponaten aus dem Alten Ägypten, aus Mesopotamien und der Türkei. Mehrere Säle sind der europäischen Kunst gewidmet und plötzlich stehen wir vor einer Skulptur von Rodin, einem Gemälde von Rembrandt oder einem Turner. Daneben haben wir das Glück, dass gerade eine Sonderausstellung mit Skulpturen von Alberto Giacometti und Ruis Chafes stattfindet. Wichtig zu wissen: Dieses Museum hat montags geöffnet und dienstags Ruhetag.
Was gibt es sonst noch in Lissabon? Den Botanischen Garten. Na ja, er war sicher mal ganz nett, jetzt wächst das Unkraut und er sieht eher verwahrlost aus. Wer in einen kostenfreien, netten Garten gehen möchte, ist sicher im Park um das Museum Gulbenkian besser aufgehoben.
Wer den ganzen Tag unterwegs ist hat natürlich auch Bedürfnisse um Körper und Geist zu beleben. Zum Beispiel das Bedürfnis nach frisch gebrühtem Galao (Latte Macciato) und dazu das beinahe obligatorische Pastel de Nata. Beides gibt es kostengünstig in den Straßencafes und den überall zu findenden einfachen Kiosken.
Wer isst und trinkt hat im Laufe eines Tages auch noch ganz andere Bedürfnisse. Was in vielen deutschen Städten ein Problem ist, wurde in Lissabon wunderbar gelöst: Öffentliche Toiletten. Oft sehen sie nicht gerade einladend aus, aber drinnen sind sie stets picobello sauber und mit Toilettenpapier und Seife ausgestattet. Die Benutzung kostet häufig 0,50 Cent, dafür ist immer eine Reinigungskraft in der Nähe.
Wir waren gewiss nicht zum letzten Mal in Lissabon; das nächste Mal besuchen wir die Stadt vielleicht im Winter – dann sind nicht gar so viele Touristen an den Hot Spots und wir haben Muße für die zahlreichen Museen.
Unterstützt wurden wir bei unseren Touren durch den klassischen Reiseführer in Buchform von ADAC.