Wo Pinguine fliegen – die Falklandinseln

Sieben Starts- und Landungen und eineinhalb Stunden Fahrt im Landrover liegen hinter meinem Mann und mir als wir nach 40 Stunden Reisezeit (mit 23 Stunden Aufenthalt in Santiago de Chile) auf Saunders, einer kleinen, privaten Insel der Westfalklands, unseren Wohncontainer beziehen. Wir sind allein hier, jedenfalls was homo sapiens betrifft; unsere nächsten und einzigen Nachbarn unserer Art wohnen 16 km entfernt.

Saunders

SaundersEinsam ist es jedoch nicht, vor der Haustür stehen einige Tausend jugendliche Eselspinguine und warten darauf, dass ihre Eltern am Spätnachmittag mit einer ordentlichen Ladung Krill im Bauch heimkehren. Für Abwechslung während des langweiligen Wartetages sind die neugierigen Tiere dankbar und schon nach wenigen Minuten in der Kolonie sind wir von Pinguinen umstellt. Gegen 16/17 Uhr wird es lebhaft am Strand und im Wasser. Die Altpinguine kehren voll gefuttert heim.

Fanny Cove House / Bull PointSie fliegen förmlich aus dem Wasser und rennen dann ganz schnell an den Strand, dorthin wo sie von den Wellen nicht mehr erwischt werden. Nun ist erst mal Gefiederputz angesagt und bei manchen auch Ausruhen, denn sie sind so voll gefressen, dass sie kaum aufrecht gehen können. Haben sie sich erholt, gehen sie mit zügigen Schritten zum ungeduldig wartenden Nachwuchs der sofort das Futter durch Schnäbeln einfordert. Der Krill wird ausgewürgt und möglichst direkt in den Schnabel des Jungen übergeben. Fällt etwas daneben sind sofort Skuas (Raubmöwen) oder Falkland Karakaras zur Stelle und streiten um die nahrhaften Leckerbissen.

Sea Lion IslandHat der Altpinguin kein Futter mehr auszuwürgen, dreht er sich um und geht. Nein, er rennt und das Jungtier hinterher. Es beginnt eine regelrechte Treibjagd der Halbstarken quer durch die Kolonie. Manch ein Kleiner ist schon so schnell wie der verfolgte Erwachsene und bringt ihn dann mit einem Tritt auf den Schwanz zu Fall. Mehr Futter gibt’s aber trotzdem nicht und irgendwann gibt das Jungtier auf. Warum diese Pinguine eine solche Jagd veranstalten ist nicht bekannt, vielleicht um die Muskeln zu trainieren.

Bei den Felsenpinguinen geht es ruhiger zu. Ihre Nester befinden sich am Felshang, oft einige Hundert Meter über dem Meeresspiegel. Die Jungen stehen gleichgültig wartend in ihren Nestern, uns ignorieren sie, nur wenn der Nachbar zu nah kommt erhält er einen Schnabelhieb. Die Größe ihres für uns kaum sichtbaren Nestes richtet sich nach der Reichweite des Schnabels. Als wir das erste Mal hoch oben auf den Felsklippen stehend diese Kolonie sehen, fragen wir uns, wo die erwachsenen Pinguine wohl ankommen. Unter uns schlägt die hohe Brandung gegen das schroffe, schwarze Gestein, es ist ein regelrechter Hexenkessel aus weißer Gischt. Hier kommt kein Lebewesen lebendig raus, denken wir. Wir irren uns. Am Spätnachmittag kommen die Felsenpinguineltern in kleinen Gruppen pfeilschnell angeschwommen, peilen und lassen sich von der Brandung regelrecht auf die Felsen schleudern. Diese Pinguine können fliegen. Eindeutig. Kaum haben sie festen Boden unter den Füßen rennen sie zur nächsten trockenen Stelle – sind sie nicht schnell genug, werden sie von der nächsten Welle erfasst, in den Schaumkessel zurückgezogen und starten den nächsten Versuch. Einmal auf trockenem Boden wird der Mantel gerichtet und der lange Aufstieg beginnt. Stufe für Stufe – für uns kaum erkennbar – gehen und hüpfen die knapp einen halben Meter großen Kerlchen den Berg hinauf. Im Englischen heißen sie Rockhopper und genau das tun sie.

Zwischen den Felsenpinguinen haben sich einige Kormoranpaare angesiedelt. Sie wohnen multi-kulti friedlich nebeneinander solange eine Schnabel-Hals-Länge zwischen ihnen frei bleibt. Die Kormoraneltern kommen wie aus dem Nichts die Klippe hochgeschwebt peilen und landen lautlos gerade nach unten meist ohne andere zu behindern. Das schon fast ausgewachsene Jungtier kommt sofort angerannt, wird begrüßt und bei der Fütterung hat es den Anschein als ob die Eltern die Jungen auffressen. Auch hier warten Skuas und Weißgesicht Scheidenschnäbel gierig auf Leckerein die dem Altvogel bei der Übergabe aus dem Schnabel fallen.

Unsere Hütte liegt am Fuß eines Hügels den wir am nächsten Tag erklimmen. Über uns kreisen riesige Möwen gut zehnmal so groß wie gemeine Lachmöwen, und es dauert eine Weile bevor wir begreifen, dass es sich keineswegs um Möwen sondern um Schwarzbrauen-Albatrosse handelt. Unvermittelt sehen wir direkt vor uns die Brutkolonie. Die Kleinen sitzen mit gereckten Hälsen auf thronartigen Nestern im Grashang, wir kommen fast bis auf Armlänge an sie heran bevor sie nervös werden. Die Alten schweben derweil ruhig und gelassen ein, sie ignorieren uns vollkommen und landen elegant neben dem Nest. Der Nachwuchs wird durch liebevolles Schnäbeln begrüßt bevor das ersehnte Futter ausgespuckt wird.Schwarzbrauenalbatros, Balck-browed Albatross, Thalassarche mela

So geht es weiter, drei Wochen lang von einem Highlight zum Nächsten, mit Recht werden die Falkland Inseln als das Galapagos des Südens bezeichnet. Die Inselgruppe besteht aus ca. 750 Inseln, davon zwei Hauptinseln West- und Ostfalkland mit der Hauptstadt Stanley (knapp 3000 Einwohner).

Die kleineren Inseln werden alle sechs Wochen durch ein Versorgungsboot bedient, es gibt jeweils nur eine Farm pro Insel mit 3-5 Einwohnern und 800+ Schafen. Die meisten Settlements (so heißen die Farmen) verfügen über eine kurze Flugzeugpiste und werden nach Bedarf angeflogen. Wer wann wohin fliegt wird jeden Abend in Radio Falkland durchgegeben, da die Flugpläne kurzfristig erstellt werden. So erfuhren auch wir von unseren Gastgebern am jeweiligen Abend wann wir mit dem Flieger abgeholt werden. Das Flugzeug – Typ Islander – hat Platz für acht Personen inkl. Pilot, also so groß wie ein VW-Bus nur halt mit Flügeln.

Carcass

Wir fliegen weiter nach Carcass Island. Der Eigentümer Rob McGill ist auf den Falklands geboren und aufgewachsen und wohnt seit mehr als 30 Jahren zusammen mit seiner Frau Lorraine und – im Sommer – mit seinem chilenischen Koch Juan, dessen Frau und einer Haushaltshilfe auf diesem Island.

Das Settlement, sprich die Farm von Rob McGill, liegt in einer wunderschönen, geschützten Bucht umgeben von Bäumen und Fuchsienbüschen. Von Oktober bis März vermietet Rob McGill sechs nett eingerichtete Zimmer. Carcass Island ist für seine Küche und vor allem für die hausgemachten Backwaren bekannt. Wenn wir von unseren Ausflügen zurückkamen warteten immer mehrere Sorten Kuchen und Plätzchen auf uns; uns gelang es in vier Tagen nicht, alle zu probieren.
Der Inselaufenthalt eignet sich für Leute, die Ruhe lieben, die gern laufen und Vögel beobachten möchten.

Carcass ist frei von Katzen- und Ratten, so dass sich hier eine reiche Vogelwelt erhalten hat insbesondere der endemische Cobb’s Zaunkönig ( Troglodytes cobbi ) und der ebenfalls endemische Einfarb-Uferwipper (Cinclodes antarcticus antarcticus) im Englischen Tussock bird genannt, da er sich in der Nähe des endemischen Tussockgrases gern aufhält.
Tussocks birds (ich benutze die englische Bezeichnung, weil mir die deutsche zu lang ist) sind extrem neugierig, furchtlos und ständig auf der Suche nach Leckerein die wir Menschen beim Gehen aufscheuchen könnten. Um meine Nase zu putzen stelle ich mein Stativ für 10 Sekunden ab und schon wird es als Aussichtsplatz „missbraucht“.

Carcass Island ist acht Kilometer lang und zwei Kilometer breit. Wir laufen von der Lodge an der Küste entlang zum östlichen Ende. Überall brüten Magellanpinguine. Es sind extrem scheue Höhlenbrüter und wenn sie uns auf 500 Meter Entfernung sehen verschwinden sie hektisch in ihren unterirdischen Bauten. Ganz häufig siegt aber auch bei ihnen die Neugier und sie schauen mit leicht verdrehtem Hals aus der Höhle heraus. Von uns bekommen diese Pinguine den Namen Wendehals.

Eine weitere Wanderung führt ans nordwestlichste Ende. Am dortigen Strand wollen wir unser Mittagspicknick zu uns nehmen. Am Strand sehen wir dicke Felsbrocken mit glatter Oberfläche. Sicher zum Anlehnen geeignet – doch einige Steine schnarchen! Hier hat sich eine Großfamilie See-Elefanten zur Ruhe gelegt! Wir legen sofort den Rückwärtsgang ein, denn diese Vier- bis Fünftonner wollen wir keinesfalls erschrecken! Für Unruhe sorgen die Tiere allerdings schon selbst: Sie bewerfen sich mit Sand, wohl um die Haut zu schützen und von Zeit zu Zeit streiten sie mit ihrem Nachbarn um einen vermeintlich besseren Liegeplatz.
Hinzu kommen wieder die Tussock birds. Sie hüpfen furchtlos auf den Körpern der See-Elefanten herum, zwischendurch klatscht eine Flosse nach ihnen, aber die Vögel entwischen viel zu schnell und setzen sich in der nächsten Sekunde wieder auf den mächtigen Körper. Einen beobachten wir sogar wie er seinen Schnabel in eine frische Wunde tunkt – vielleicht sind es die „Madenhacker“ des Südens.

Der Falkland Konflikt

Der Konflikt mit den Argentiniern ist natürlich in aller Munde, wenn auch nichts Neues. Früher gab es zwei Flüge wöchentlich ab Santiago de Chile, doch heute erlauben die Argentinier, deren Luftraum durchquert werden muss, nur einen. Es ist der einzige Flug, der für Normalverbraucher erschwinglich ist. (Es gibt noch einen Flug mittwochs ab Brize Norton (UK) via Ascension Island nach Mount Pleasant Airport mit der Royal Air Force bzw. beauftragte Charter.) Der Flieger aus Santiago bringt nicht nur Menschen, sondern vor allem auch Güter des täglichen Bedarfs auf die Inseln und da kann es schon mal zu Engpässen kommen weil das Flugzeug keine Kapazitäten mehr frei hat. Obst und Gemüse bauen die Falkländer in kleinen Gewächshäusern selbst an, aber von der Seife bis zum Autoreifen wird alles eingeführt.

Die Menschen auf den Inseln leben von der Schafzucht und vom Tourismus, die der Hauptstadt Stanley von Fischereilizenzen und Tourismus. Wenn ein Kreuzfahrtschiff mal wieder nicht anlegt, weil der Kapitän Angst haben muss, danach in Ushuaia (Argentinien) nicht an Land gehen zu dürfen, ist dies schon ein herber finanzieller Verlust, dann bleiben die Souvenirläden geschlossen und im Museum sind wir die einzigen Besucher.

Volunteer Point

Die Besucher, die mit dem Kreuzfahrtschiff nach Stanley kommen machen meist auch einen Ausflug zum Volunteer-Point, denn hier erwartet sie eine große Kolonie Königspinguine. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt über die holprige Piste mit dem Allradfahrzeug. Die Tagesausflügler bleiben nur ein bis zwei Stunden vor Ort; wir dagegen haben uns im Haus des Aufsehers (Warden) eingemietet. Der Warden beaufsichtigt die Touristen; er sorgt dafür dass niemand auf die Idee kommt die Tiere mit Keksen zu füttern und beantwortet knifflige Fragen aller Art, wie zum Beispiel die Frage einer Amerikanerin ob es sich bei den Pinguinen um Fische oder Vögel handele.
Nachdem die Tagestouristen weg sind gibt es an diesem Strand nur noch uns und die gut Eintausend Pinguine. Diejenigen, die brüten oder schon ein Junges vor bzw. unter dem Bauch haben, stehen zusammen gedrängt in einer Kolonie. Ein Elternteil bleibt bei dem Nachwuchs, der andere geht auf Nahrungssuche im Meer.

Volunteer Point, KönigspinguineEtliche Grüppchen Jugendlicher spazieren am Strand entlang und überlegen eine Weile, ob sie wohl ins Wasser gehen sollen. Dann entschließen sie sich kollektiv dazu, doch nur um sofort wieder raus zu flüchten. Es hat den Anschein, dass sie sich an Land wohler fühlen. So spaziert die Gruppe mit hoch aufgerichtetem Körper zurück zur Kolonie. Ausflug beendet. Jetzt wird sich geputzt und dann geschlafen.

Volunteer Point, KönigspinguineUnter den jugendlichen Herren kommt es auch schon mal zu Unstimmigkeiten wegen ein und derselben jungen, hübschen Dame. Die Herren richten sich dann kerzengerade auf, stehen sich gegenüber, schauen sich von oben herab geringschätzig an und ganz nebenbei schlägt der Längere den etwas Kürzeren mit einem Flügel. Der Kleinere haut sofort zurück. Für mich sieht es eher aus wie ein arroganter Tanz. Das Ganze geht lautlos und gediegen ab, man merkt es schon – es sind schließlich Royals.

SaundersDrei Wochen waren wir vor Ort und genossen jede Sekunde. Na ja, fast. Es gab schon auch Tage da verfluchten wir den ständig wehenden, meist eiskalten Wind aus der Antarktis. Er wehte mir den Rotz aus der Nase, blies zwischen Kamerasucher und Auge das Wasser aus den Augen und pustete mich zwei Mal sogar einfach um. Das war am Steilhang der Albatrosse. Die Albatrosse kamen mit dem Sturm von 50 Knoten gut zurecht; sie landeten immer ruhig und punktgenau – ich bin eben kein Sturmvogel.

Wer trotzdem ebenfalls hinreisen möchte: Es ist mühsam alles selbst zu organisieren, am besten wendet man sich an das dortige Reisebüro ITT-Travel  www.falklandislands.travel/

Reisen speziell für Fotografen bietet der Fotograf Martin Zwick, Fotoworkshops und Fotoreisen

Allgemeine Informationen zu den Falklandinseln: Falkland Islands Tourist Board