Selten verirren sich ausländische Touristen hierher. Dabei ist Port Stephens gut und direkt ohne Umsteigen mit dem einzigen öffentlichen Verkehrsmittel der Falklandinseln zu erreichen: Dem Flugzeug. Port Stephens liegt idyllisch am Ende einer geschützten Bucht am südlichen Ende von Westfalkland. Es ist eine Ansammlung von Häusern, die meisten von ihnen sind nicht mehr bewohnt – jedenfalls nicht ganzjährig. Einst war Port Stephens eine der größten Schaffarmen des Landes mit einer Fläche von mehr als 100.000 ha (1000 km²); in Deutschland gilt ein Hof mit 100 ha schon als Großbetrieb. 1989 wurde die Farm der FIC (Falkland Islands Company Ltd.) in fünf Teile aufgeteilt und von ehemaligen Angestellten übernommen. So ist Port Stephens Farm heute einer dieser Teile und gehört Peter und Ann Robertson.
Es gab Zeiten da zählte der Ort gut 150 Einwohner. Neben unserer geräumigen, komplett eingerichteten Ferienwohnung war der Hofladen untergebracht. Hier wurde alles angeboten: Von Lebensmitteln aus dem Hofgarten über Kleidung, Pferdegeschirr, Küchenutensilien und Werkzeug. „Beinahe jeden Samstag gab es etwas zu Feiern,“ erzählt Ann mit leuchtenden Augen. Heute leben noch ihr Mann und ihre Tochter mit Familie permanent hier. Die Farm umfasst gut 23000 ha auf denen etwa 100 Rinder und ungefähr 10.000 Schafe der Rasse Heinz 57 gehalten werden. Heinz 57? Was ist das für eine Rasse? „Nun“, erklärt uns Peter mit verschmitztem Lächeln, „seit mehr als 70 Jahren werden hier Schafe gezüchtet. Unterschiedliche Rassen haben sich vermischt; wir nennen sie einfach Heinz 57“. Peter und Ann sind weitestgehend Selbstversorger mit Kartoffeln, Gemüse und Salat aus dem eigenen Garten. Das meiste wächst im Folientunnel, denn das Klima auf den Falklands ist rau und kühl. Alle zwei Monate kommt ein Versorgungsschiff; da die Falklands keine eigenen Produktionsbetriebe haben, werden alle Waren aus Großbritannien geliefert – vom Mehl bis zu Äpfeln, Zahnpasta und Autoreifen. Geht der Rasierer oder die Waschmaschine kaputt, dauert es unter Umständen sehr lange bis Ersatz geliefert wird. Das macht erfinderisch.
Fotos von Port Stephens
Wir sind wegen der Naturschönheiten und zum Wandern in Port Stephens gelandet. In der Landschaft haben sich hier besondere Gesteinsformationen gebildet, die als Indian Village (Indianerdorf) bezeichnet werden – das aufgeschichtete Gestein sieht von weitem wie Wigwams aus. Leider zeigt sich der Himmel grau und bedeckt – schlechte Voraussetzungen für Landschaftsfotografie. So ist der Weg unser Ziel. Auf schmalen Schafpfaden marschieren wir an der grasbewachsenen steilen Küste entlang. Es ist unser erster Tag auf den Falklandinseln.
Über und auf dem Wasser fischen große Möwen. Denken wir. Wir haben so riesige Vögel noch nie fliegen gesehen und kennen sie nur aus Büchern: Die vermeintlichen großen Möwen sind Riesensturmvögel (Giant Petrel)! Das bemerken wir als einer beinahe auf Augenhöhe an uns vorbeifliegt. Bis zu zwei Meter kann ihre Flügelspannweite betragen. Sie fischen in der Bucht und brüten in Kolonien auf der vorgelagerten Vogelinsel mit dem bezeichnenden Namen Bird Island. Zu unserer Verteidigung sei gesagt: zwischendurch sind auch ein paar Buntschnabelmöwen in der Luft.
Sturmvögel und Buntschnabelmöwen im Flug
Beinahe zehn Kilometer sind es bis zu den Steinformationen des Indian Village. Kurz vor dem Ziel steht eine große Gruppe jugendlicher Eselspinguine auf unserem Weg!
Als wir näher kommen sehen wir alle paar Meter einen Pinguinkadaver. Zwei Skuas (große Raubmöwen) streiten sich an einem gerade verendeten Eselspinguin. So lassen wir uns nieder und beobachten die Raubmöwen bei ihrer Mahlzeit. Eigentlich wollten wir doch die Steine des Indian Village fotografieren. Egal. Später.
Skuas verspeisen Pinguin
Die Felsformationen sehen aus der Nähe aus wie aufgeschichtete Pfannkuchen und eignen sich sicher hervorragend zum Klettern und Bouldern – wenn’s denn mal etwas weniger windig ist. Der Wind würde daheim schon als Sturm bezeichnet und macht uns zu schaffen; wir beschließen, auf die andere Seite des 224 m hohen Stephens Peak zu wandern. Dort ist es heute windgeschützt.
Indian Village
Am Fuß des Berges, am flachen sandigen Strand, stehen und liegen locker verteilt Hunderte von jugendlichen Eselspinguinen. Wieder setzen wir uns hin. Im Sitzen sind wir beinahe auf Augenhöhe mit den etwa 75 cm großen Tieren. Aber nicht nur wir schauen, die Pinguine schauen auch. Es sind beinahe ausgewachsene Küken und wie alle Kinder sind sie interessiert an allem was neu ist. Die Neugier siegt. Der Erste watschelt direkt auf uns zu. Die anderen folgen. Nach zehn Minuten sind wir von Pinguinen umstellt. Sie stehen nur da und recken die Hälse. Wenn jedoch ein Altpinguin dahermarschiert, kommt Bewegung in einige. Mutter und Küken treffen sich. Das Jungtier wird kurz mit ausgewürgtem halb verdautem Fisch und Krill gefüttert, dann ergreift der Altpinguin die Flucht. Das Jungtier hat noch Hunger und stratzt hinterher. In einem Wahnsinnstempo. Ein Wettlauf. Wer erreicht als Erster das Wasser. Das Jungtier will mehr Futter und versucht den Futtergeber zu stoppen – notfalls bringt es ihn mit einem Tritt auf den Schwanz zu Fall. Das nutzt jedoch nichts – der Adulte stützt sich mit den Flügeln ab und spurtet weiter. Der Kleine läuft herzzerreißend jammernd rufend hinterher. Der Erwachsene hat ein Einsehen, hält gnädig inne, gibt etwas Futter und – rennt wieder los. Die „armen“ Kleinen. Was für eine Show für uns. Warum machen die Pinguine das? Bei anderen Arten haben wir ein solches Verhalten nicht beobachten können. Eselspinguine sind die schnellsten Schwimmer unter den Pinguinen. Sie brüten in Kolonien an Land bis zu einem Kilometer landeinwärts. Wahrscheinlich trainieren die Eltern ihre Küken, damit sie kräftige Beinmuskeln bekommen und auch an Land ihren Feinden zum Beispiel Seelöwen entkommen können.
Junge Eselspinguine
Schön ist es an diesem Strand unter Pinguinen. Eigentlich wollten wir doch Steine fotografieren. Beim nächsten Mal. Wir werden wiederkommen.