Vorwort
Vier Wochen Inselhopping in der Karibik liegen hinter mir. Antigua, Sankt Martin, Saba, St. Kitts, Montserrat. „Traumhaft“, ruft eine Freundin voll strahlender Begeisterung. Doch für mich war es kein Traumurlaub. Warum? Das einzige was mir richtig gut gefallen hat, ist das Klima. Im März ist es stets angenehm warm, so um die 25 bis 28 Grad Celsius. Regen fällt hin und wieder in leichten bis heftigen Schauern, doch es ist warmer Regen meist gefolgt von einer Belohnung: ein bis zwei Regenbögen.
Was mir nicht gefallen hat, war die ständige Warterei auf den bestellten Taxifahrer/die Taxifahrerin. Ich spreche nicht von fünf Minuten, 30 Minuten waren eher die Regel. Bei meinem Rückflug von Antigua nach Frankfurt plane ich eine Stunde Puffer für das Taxi ein! 45 Minuten durfte ich warten. So bin ich immer noch einigermaßen gelassen, als ich am Flughafen ankomme und dennoch betrachte ich diese 45 Minuten als verlorene Lebenszeit, denn ich saß auf gepackten Taschen, zum Absprung bereit. Zum Lesen fehlte mir die Ruhe; außerdem hatte ich auf dem mehr als neunstündigen Flug noch genug Zeit zum Lesen. Geflogen bin ich mit Condor – direkt von Frankfurt und auf dem Rückflug mit kurzem Stopp in der Dominikanischen Republik. Allerdings gibt es diese Verbindung im März nur ein Mal pro Woche. Damit ist wohl für jeden nachvollziehbar, dass ich diesen Flug unbedingt erreichen wollte/musste.
Die Inseln, die über schöne Sandstrände verfügen, leben vom Tourismus – vom Massentourismus. Als Einzelreisende komme ich gar nicht vor. Ganz häufig wurde ich für eine resident gehalten – jemand der auf der Insel dauerhaft wohnt. Touristen sind nur im Pulk unterwegs, hin und wieder auch paarweise, aber dann sind die nächsten Paare in Sichtweite.
Extrem übel fand ich, dass es in den seltensten Fällen einen separaten Laufbereich für Fußgänger gibt. Ich benutze absichtlich nicht das Wort Bürgersteig, ein Grünstreifen oder Ähnliches hätte mir schon gereicht. Am Schlimmsten war es in St. John’s, der Hauptstadt von Antigua. Hier balancierst Du auf der Bordsteinkante. Das Abwasser fließt offen im Rinnstein daneben und stinkt.
Aber auch in Grand Case, im französischen Teil von Sankt Martin, war es kritisch. Die Promenade mit Bars, Restaurants, Souvenirläden zu beiden Seiten der Straße ist auf einer Seite zugeparkt und auf dem Rest der Einbahnstraße schieben sich die Autos durch. Dazwischen suchen Fußgänger freien Raum zum Flanieren. Für die dicken SUVs ist die Straße eigentlich zu schmal. Ich lege mich mit einem Auto an, es ist leider stärker und erwischt mich am Fuß. So kann ich drei Wochen kaum laufen und habe häufig das Vergnügen mit bereits erwähnten Taxifahrer:innen.
Doch es gab auch Positives und richtig schöne Momente!
Saint John’s – die Hauptstadt
Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Meist. Doch auf Inseln wie Antigua, auf denen täglich etliche Tausend Kreuzfahrtouristen anlanden, mache ich schlechte Erfahrung. Über den Pier am Hafen in Saint John’s darf ich nicht laufen, dieser ist den Kreuzfahrern vorbehalten; ich muss, wie die einheimische Bevölkerung, die verhasste Straße entlang wandern.
Auf dieser Straße spricht mich ein Guide im gelben T-Shirt an, ob ich eine Tour suche. Nein, antworte ich, ich suche das Historische Museum. Das sei geschlossen, aber er habe da eine wunderbare Tour für mich. Nein Danke. Anhand meines GPS-Gerätes finde ich das Museum. Es ist geöffnet! War es böser Wille oder Unwissenheit? Es hinterlässt jedenfalls einen bleibenden negativen Eindruck.
St. John’s ist sehr geschäftig mit viel Autoverkehr, inklusive Stau, schön ist die Stadt nicht. Der Botanische Garten, von mir in der Hoffnung auf eine grüne Oase angesteuert, ist ein verlassener, heruntergekommener Park. Eine Rasenfläche und ein paar teilweise verdorrte Bäume. Keine Sitzgelegenheit. Kein Ort zum Verweilen. Da ist der Balkon meiner Unterkunft die bessere Wahl. Meine großartige Ferienwohnung (CNP Apartsments) liegt 20 Fußminuten vom Zentrum entfernt in einer ruhigen Sackgasse.
Der Ausflug – mit dem Taxi – zum Fort Barrington auf einem Hügel vor Saint John’s lohnt sich dagegen sehr. Der kurze Fußmarsch vom Parkplatz am Strand ist zwar steil und anstrengend, aber die Aussicht ist der Hammer.
Strände habe ich schon viele unglaublich schöne gesehen. Zu viele wahrscheinlich. Auf den Kleinen Antillen finde ich nur mit Liegen zugestellte Strände, aber vielleicht war ich nur an den falschen Orten.
Jabberwock Beach
Gefallen hat mir Jabberwock Beach. Der Taxifahrer vergewissert sich, dass ich wirklich dorthin möchte und erkundigt sich, was ich dort will – das Meer sei nur bedingt zum Baden geeignet. „Es soll dort Kite-Surfer geben, ich möchte sie fotografieren.“ Okay, wenn ich das mein Ziel sei, gäbe es keinen besseren Ort für mich, bestätigt er.
Der Strand ist liegt einsam und verlassen da. Kein Mensch, keine Strandliegen, keine Sonnenschirme. Ich marschiere gut einen Kilometer zum Ende des Strandes und treffe sogar auf einen Gelbschenkel bei der Nahrungssuche.
Gegen 11 Uhr kommen die Surfer. Einer nach dem anderen packen sie ihr Equipment aus und gehen in die Fluten. Es ist total spannend ihren teilweise akrobatischen Sprüngen zuzuschauen.
English Harbour
Wesentlich angenehmer ist die Atmosphäre im Süden von Antigua in English Harbour. Hier ist nicht so viel Autoverkehr und es geht insgesamt etwas gemäßigter zu, ohne dass der Reisende auf Strände oder Restaurants und Bars verzichten müsste. Sehenswert ist natürlich Nelson’s Dockyard. Die historische Hafenanlage mit ehemaliger Schiffswerft gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wer der Namensgeber war, ist wohl leicht zu erraten: Admiral Horatio Nelson. Er lebte drei Jahre (bis 1787) in der Marinebasis.
English Harbour gehört zu den ältesten Ansiedlungen der Engländer auf Antigua. Der Naturhafen ist gut vor Hurrikans geschützt. Ab 1743 wurde der Kriegshafen ausgebaut und avancierte im 18. und 19. Jahrhundert zum bedeutendsten Marinestützpunkt der Briten. Er diente dem Schutz der Handelsschiffe. Heute ist alles ein großes Museum mit liebevoll restaurierten Gebäuden, einer guten Bäckerei, einem exklusiven Hotel und einem Yachthafen.
Am frühen Morgen marschiere ich in einer guten Stunde den Berg hinauf nach Shirley Heights – dem „must see“ auf Antigua. Es ist eine breite, geteerte Straße. Später am Tag ist hier gewiss mehr los – jetzt bin ich beinahe allein.
Von Shirley Heights erschließt sich der gesamte Hafen und mir wird sofort klar, warum dieser Hafen von Anfang an als solcher genutzt und ausgebaut wurde. Für feindliche Schiffe war er Dank der schmalen Zufahrt kaum einnehmbar. Zu beiden Seiten waren natürlich mit Kanonen bestückte Verteidigungsanlagen gebaut. Shirley Heights diente als Beobachtungsposten.
Auf dem Rückweg sehe ich zwei Buntfalken auf den Ruinen einer alten Kasernenanlage.
Ich wohne total ruhig in der Villa Touloulou etwas außerhalb von English Harbour. Von meiner großen Terrasse mit Außenküche blicke ich über die Hügel hinunter zum Yachthafen. Es ist eine der schönsten Unterkünfte auf meiner gesamten Reise.
Hier macht eine Außenküche wirklich Sinn: Winter und Kälte gibt es nicht. Jeden Morgen besuchen mich einige Gimpelfinken und ein Zuckervogel.
Sie freuen sich, wenn ich ordentlich mit meinem Brot krümele. Mir passt das gut, dann muss ich nichts wegwischen. Ich betrachte die kleinen Piepmätze als meine Bio-Staubsauger. An Menschen gewöhnt zeigen sie wenig Scheu. Am ersten Morgen bin ich jedoch etwas unbedarft. Ich lege eine Banane als Pausensnack für mich zum Mitnehmen auf den Esstisch, gehe ins Bad zum Zähneputzen und als ich nach drei Minuten zurückkehre haben bereits vier Zuckervögel in Gemeinschaftsarbeit ein Loch in die Schale gepickt und Fruchtfleisch gestohlen! Damit hatte ich nicht gerechnet! Anhand des englischen Namens hätte ich es jedoch ahnen können: Bananaquit.
Auf dem Weg von meiner Unterkunft zur Hauptstraße laufe ich durch den Garten und an einigen Bäumen vorbei. Im Garten sind Tauben, fliegende „Juwelen“ und andere unterwegs.
Direkt an der Straße, nur wenige 100 Meter von meiner Unterkunft entfernt, ist ein Brackwassergraben. Sieht nicht besonders idyllisch aus, aber hier versammeln sich am frühen Morgen und am späten Nachmittag allerlei Wasservögel. Beinahe jeden Tag beziehe ich hier für ein Stündchen Position.
Monk’s Hill
Meine nächste Wanderung führt mich auf den 211 Meter hohen Monk’s Hill. Auf diesen Hügel führt nur ein gut sichtbarer Wanderweg. Etwa 45 Minuten bin ich unterwegs, so dass ich morgens um 8:30 Uhr schon mein Tagesziel erreicht habe: Den Gipfel und die Ruinen von Fort George. Diese Wehranlage von 1689 war mit 30 Kanonen bestückt, diente aber in erster Linie als Signalstation und als Rückzugsort für Frauen und Kinder. Die Aussicht ist fantastisch; außerdem bin ich ganz allein hier oben, es gibt keinen Parkplatz, kein Restaurant, nur Schatten spendende Bäume, einen Sendemast und eben Aussicht.
Betty’s Hope
Für den nächsten Ausflug buche ich ein Taxi. Der Fahrer ist superpünktlich. Auch das gibt es, aber nur in Ausnahmefällen. Vielleicht weil English Harbour nicht so vom Kreuzfahrtourismus eingenommen ist? Keine Ahnung.
Mein Ziel ist Betty’s Hope. Hier steht die einzige Windmühle der Kleinen Antillen, die noch funktionsfähig ist.
In Betty’s Hope werde ich mit der Geschichte der Inseln konfrontiert. Diese Geschichte ist auf vielen Inseln der Kleinen Antillen ähnlich verlaufen, nur unter anderen Kolonialherren. Die Europäer (im Wesentlichen Engländer, Spanier, Franzosen, Niederländer) ließen sich auf den Inseln nieder und errichteten große Zuckerrohrplantagen. Die Arbeitskräfte hierfür kauften sie auf den Sklavenmärkten. Diese Menschen waren meist in Afrika eingefangen worden und dann gepackt wie Sardinen in der Dose, auf den Karibikinseln angelandet worden.
Erst um 1835 wurde die Sklavenhaltung verboten und abgeschafft.
Das Zuckerrohr wurde geschnitten und in die Mühle gebracht. Von dort kam es in den Mühlenhof, dann in das Siedehaus und weiter ins Reifungshaus und in das Destillierhaus. Das Endprodukt war Rum. Große Zisternen befanden sich hinter dem Haus des Plantagenbesitzers (Buff House). Die Gebäude sind heute Ruinen. Außerdem gab es ein ausgedehntes Sklavendorf mit Hütten aus Holz und Stroh – von ihnen ist nichts mehr zu sehen.
Die Britische Kolonialherrschaft endete 1981. Seitdem ist Antigua und Barbuda ein unabhängiger Staat. Auf Antigua leben etwa 84.000 Einwohner. Mit 280 Quadratkilometern Fläche ist die Insel kleiner als der deutsche Teil von Usedom (373 Quadratkilometer).
Weitere Berichte und Impressionen:
Montserrat, Saba, Sankt Martin (Sint Maarten, Saint Martin)