Singapur – die Stadt im Garten

30 Grad Celsius, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit – willkommen in Singapur! Nach zwölf Stunden Flug und sieben Stunden Zeitverschiebung bin ich im kleinsten Staat Südostasiens gelandet. Nach kurzer Ruhepause geht es zu Fuß auf Entdeckungstour durch den kolonialen Teil der Stadt. Schnell stelle ich fest: Singapur ist eine Stadt der Gegensätze. Gut restaurierte Gebäude aus der Zeit als britische Kronkolonie wie die St. Andrew’s Cathedral, das ehemalige Rathaus und das Parlamentsgebäude werden überragt von Wohn- und Geschäftshochhäusern, wahrhaften Giganten.

Architektonische Kontraste
Architektonische Kontraste

Von der frei zugänglichen Dachterrasse des alten Rathauses – heute das Nationalmuseum – schaue ich auf eines der architektonisch spannendsten Gebäude: Das Marina Bay Sands Hotel.

Marina Bay Sands Hotel

Es handelt sich um drei Hoteltürme die im 56. Stockwerk über eine 340 Meter lange Plattform miteinander verbunden sind. Oben gibt es einen Dachgarten, Swimmingpool, eine Aussichtsplattform und eine Bar. Es gibt viele spannende Plätze um einen Singapur Sling zu trinken – die Dachterrasse dieses Hotels gehört in jedem Fall dazu. Die Aussicht ist überwältigend. Den Pool besuchen dürfen allerdings nur Hotelgäste.

Singapur Sling in der Sky Bar

Im unteren Teil sind ein Casino und ein Einkaufszentrum für Besucher mit gut gefüllten Geldbeuteln untergebracht. Noch dazu steht das Bauwerk auf künstlich aufgeschüttetem Land, das dem Singapore River abgerungen wurde. Einst lagen an diesem Fluss die Umschlagkais für Waren, die mit großen Frachtschiffen aus aller Welt angelandet wurden; heute sind hier Restaurants aller Art angesiedelt. Ich lasse mich in einem der ehemaligen Frachtkähne nieder. Es geht auf dem Singapur River zum Wahrzeichen von Singapur, dem löwenköpfigen Merlion. Angeblich sah der Gründer Singapurs einen Löwen als er auf der Insel ankam. Löwen gab es jedoch nie in Singapur.

Merlion
Merlion

Grüne Architektur

In Singapur leben beinahe 8.000 Einwohner auf einem Quadratkilometer – etwa vergleichbar mit Bangkok. Wer eine laute, quirlige asiatische Metropole mit schlechter Luft und Permastau erwartet, wird angenehm überrascht. Die zwei- bis vierspurigen Straßen sind größtenteils beidseitig mit stattlichen Bäumen bestanden auf denen sich ebenso stattliche Aufsitzerpflanzen angesiedelt haben. Üppiges Grün wächst in den Dachgärten der Hochhäuser und an Fassaden, selbst Bauzäune sind bepflanzt.

Hotel Park Royal on Pickering
Hotel Park Royal on Pickering

Besonders ins Auge fällt der Wohnkomplex Pinnacles. Auf 2,5 Hektar stehen sieben Wohntürme mit je 50 Stockwerken. 156 Meter hoch. Mehr als 1000 Wohnungen. Gebaut vom sozialen Wohnungsbau. Wer in Deutschland möchte in so einem Block wohnen? Nein danke, lieber nicht, sagt Ihr sicher jetzt.

Pinnacle@Duxton
Blick auf Pinnacle@Duxton

In Singapur jedoch gab es mehr Bewerber als Wohnungen – die Einheiten wurden verlost. Warum? Ich sehe mir das Gebäude an; mit dem Fahrstuhl fahre ich in die 50. Etage.  Gegen einen Obolus von umgerechnet 4,- Euro dürfen Besucher auf diese Terrasse und die Aussicht genießen. Als Eintrittskarte wird meine ÖPNV-Fahrkarte programmiert. Diese funktioniert dann als Schlüssel im Fahrstuhl und als Türöffner für die Terrasse. Nachhaltig. Ohne weitere Papierverschwendung. Ich stehe auf dem Dach und bin überwältigt.

Dachgarten,  Pinnacle@Duxton
Dachgarten, Pinnacle@Duxton

Ich bin im höchsten Dachgarten der Welt und mit 500 Metern auch im längsten. Die Bewohner gehen hier oben joggen. 500 Meter sind länger als ein üblicher Sportplatz und spannender ist es hier in luftiger Höhe allemal. Aus mehr als 200 Bewerbungen wurde der Entwurf der Singapurer Architektengruppen ARC und RSP gewählt. Sie nannten ihr Design „Wolkenhäuser, fliegendes Grün“ mit dem Ziel den Bewohnern sowohl einfache als auch elegante Lösungen kostengünstig anzubieten. Da es sich um staatlich geförderten Wohnungsbau handelt, musste das Bauvorhaben kostengünstig sein. So entstand in fünf Jahren Bauzeit dieses Gebäude. Kosten: Umgerechnet 185 Millionen Euro. In Singapur werden etliche alte Hochhäuser abgerissen und durch neue ersetzt. Diese werden nach neuesten Energiesparstandards gebaut. Singapur strebt CO2-Neutralität bis 2030 an und es sieht so aus, als ob die Stadt das schafft!

Der Botanische Garten

Obwohl die Fläche Singapurs auf 725 Quadratkilometer begrenzt ist, leistet sich die Stadt ausgedehnte, aus wirtschaftlicher Sicht unproduktive Grünflächen. Zu den größten und ältesten gehört der kostenfreie Botanische Garten. Ich verbringe einen ganzen Tag hier. Zu lang? Keineswegs, ich könnte eine ganze Woche hier verbringen. Der im Stil eines englischen Gartens im 19. Jahrhundert angelegte Park ist immerhin 74 Hektar groß, 49 Hektar gehören zum UNESCO Welterbe.

Botanischer Garten
Botanischer Garten

Im weltweit größten Orchideengarten treffe ich sogar Angela Merkel – eine Hybridzüchtung mit zarten Blüten. Begeistert bin ich vor allem von Themengärten wie zum Beispiel dem Bonsaigarten, dem Ingwergewächs-Garten und einem naturbelassenen Regenwaldstück, das über einen Pfad in Baumkronenhöhe erkundet werden kann. Hier bin ich allein unterwegs während sich im Orchideengarten Heerscharen von Touristengruppen tummeln.

Die zahlreichen Warane, Fruchttauben, Hühner und Wasservögel wie Nachtreiher und Rallen sind an Menschen gewöhnt. Selbst ein Braunliest fischt unbeeindruckt vor den Augen zahlreicher staunender Zuschauer.

Singapur – die tolerante Stadt

Das Kontrastprogramm folgt am nächsten Tag: Beim Besuch der Stadtteile Little India und China Town wird die gesamte kulturelle Vielfalt Singapurs sichtbar. Neben der schlichten Masjid Jamae Moschee steht der bunt bemalte Sri Mariamman Hindu-Tempel. Er ist der älteste der Stadt. Nur wenige Schritte weiter betrete ich einen reichlich verzierten chinesischen Tempel. Im traditionellen chinesischen Stil gebaut beherbergt er einen wieder entdeckten Zahn Buddhas. Drei Weltreligionen vereint auf weniger als einem Kilometer! Ein friedliches Miteinander, von der Regierung verordnet; tatsächlich von den Menschen gelebte Toleranz. Zum großen Teil jedenfalls. Singapur hat gleich vier Amtssprachen: Englisch, Chinesisch, Tamil und Malaiisch.

Chinesischer Tempel
Chinesischer Tempel

Singapur – Stadt der Skulpturen

Direkt neben meinem Hotel liegt sie: die Ruhende Frau. Wer sie geschaffen hat erkennen Kunstliebhaber sofort: Fernando Botero. Sein Stil ist einmalig. Wenige Meter weiter, auf der bekanntesten Einkaufsmeile Orchard Road, stehen die grellbunt lackierten „Stadtmenschen“; am Singapore River stehen ein dicker Vogel von Botero, eine Skulptur von Dali und zwei „Points of View“ von Tony Cragg. Das sind nur einige wenige, die ich hier erwähne. Bei jedem größeren Bauvorhaben muss ein bestimmtes Budget für Kunst bereitgestellt werden, das macht die Stadt zu einer regelrechten Kunststadt. Es gibt sogar einen ausgezeichneten Kunstpfad mit 12 Stationen in der Marina Bay – der Merlion gehört dazu. Neben zeitgenössischer Kunst entdecke ich entlang des Singapore Rivers auch Skulpturen zur Geschichte Singapurs. Das Schönste jedoch ist: Keine der Skulpturen ist mit Graffiti beschmiert oder gar beschädigt. Liegt es vielleicht daran, dass für solche Vergehen drakonische Strafen verhängt werden? Ich lese die Geschichte von zwei jungen Männern aus Leipzig, die vor ein paar Jahren die U-Bahn mit Graffiti verschönerten. Das brachte ihnen einige Monate Haft und drei Stockhiebe ein!

Die tierische Stadt – Zoo, Fluss- und Nachtsafari

Der Singapur Zoo ist mit 28 Hektar nur wenige Hektar größer als der Wuppertaler Zoo und beherbergt 315 Tierarten. Es gibt fast keine Zäune. Das ist bemerkenswert und als Fotografin bin ich begeistert. Die Gehege sind entweder durch saubere Glasscheiben oder Gräben von den Besuchern getrennt. Durch das tropische Klima wächst üppiges Grün rings herum; erst auf den zweiten Blick ist die Grenze eines Geheges erkennbar. Zu den Attraktionen zählen unter anderem Nasenaffen, die in keinem europäischen Zoo gehalten werden. Bei ihrem Anblick frage ich mich schon was sich die Schöpfung wohl dabei gedacht hat.

Nasenaffe
Nasenaffe

Teilweise haben die Tiere wie zum Beispiel die jungen Orang Utans, viel Bewegungsfreiheit; Giraffen und Nashörner sind dagegen in für ihre Art winzigen Anlagen untergebracht.

Bekannt ist der Zoo auch für seine Fluss- und Nachtsafari. Beide fand ich insgesamt enttäuschend. Beeindruckt haben mich einzig die 13 Seekühe, die sich ihr relativ kleines Becken mit Arapainas teilen. Arapainas zählen mit bis zu zwei Metern Länge zu den größten Süßwasserfischen der Welt. Mit kleinen Booten werden die Besucher auf automatischem Kurs durch das so genannte Amazonasgebiet gesteuert. Zu schnell geht es an zu kleinen Gehegen vorbei. Als Highlight werden die großen Pandas angepriesen. Sie halten gerade Siesta in einem eiskalt klimatisierten Raum. Diese Sektion hätte ich mir wirklich sparen können.

Großer Panda

Anders geht es bei der Nachtsafari zu. Die meisten Besucher lassen sich mit einem Bähnchen durch das Areal fahren. Nicht allein, mit 1000 – 2000 anderen pro Nacht. Die Gehege sind moderat beleuchtet. Hier leben die afrikanischen Big Five, diverse Hirscharten und Rothunde. Wirklich nachtaktive Tiere sehe ich bei der Rundfahrt nicht. Wer nachtaktive Tiere sehen möchte sollte diesen Bereich zu Fuß erkunden. Faszinierend sind sich streitende Flughunde in einer Freiflugvoliere und das rege Singapur-Schuppentier. Fischkatze und Riesengleithörnchen zeigen sich diesmal leider nicht. Durchaus ein Grund um nochmals herzukommen!

Im Mangrovenwald Sungei Buloh

An der einen Kilometer breiten Wasserstraße von Singapur liegt das 139 Hektar große Sungei Buloh Wetland Reserve. Dieses letzte größere zusammenhängende Mangrovengebiet wurde bis 1989 zur Fisch- und Krabbenzucht genutzt. Über breite Holzstege laufen Besucher sicher und trockenen Fußes mitten durch den Mangrovenwald.

Gerade kommt die Flut und die Krabben flüchten auf die Bäume. Schlammspringer springen aus dem Wasser. Auffällig und erschreckend zugleich ist der viele Plastikmüll im Wasser. Dieser stammt nicht von den Singapurern – er wird mit jeder Flut angespült. An einem Vogelbeobachtungsversteck treffe ich auf etliche technisch gut ausgerüstete Vogelkundler. Einer von ihnen spricht hervorragend Deutsch – er hat ein Jahr in Solingen gelebt. Sie beobachten die einfliegenden Zugvögel, darunter zahlreiche Milchstörche. Für die Zugvögel ist es auf der Reise nach Süden das letzte Ruhegebiet auf der Malayischen Halbinsel.

Der Jurong Bird Park

Milchstörche entdecke ich auch im Jurong Bird Park, am anderen, westlichen Ende der Stadt. Sie sind geduldete Gäste in diesem Vogelpark und haben sich in friedlicher Nachbarschaft am Pelikanteich niedergelassen.

Milchstörche
Milchstörche

Großartig ist die 3.000 Quadratmeter große begehbare Freiflugvoliere. Sie beherbergt mehr als 1.000 Loris. Die Besucher laufen auf etliche Meter hohen Stegen und zwei Hängebrücken in den Baumkronen. Da Menschen immer gern Tiere füttern möchten, wird spezielles Futter zum Kauf angeboten das verfüttert werden darf. Die Vögel nehmen dies sofort an.

Darwin-Allfarblori
Darwin-Allfarblori

Die große Besonderheit sind die beiden Affenadler, ein auf den Philippinen endemischer Adler. Sie sind noch nicht lange im Vogelpark, werden aber schon als lustige Plüschadler verkauft. 5.000 Vögel leben im Jurong Bird Park. Administrativ gehört er zum Singapur Zoo und wird bald dorthin umziehen.

Singapur – die futuristische Stadt

Nachmittags gehe ich erneut in die Natur – dieses Mal in künstlich geschaffene. In den Gardens by the Bay sind zwei Gewächshäuser der Superlative untergebracht: Im so genannten Cloud Forest ist ein künstlicher Hügel mit einem 30 Meter hohen Wasserfall angelegt. Der Hügel ist barrierefrei ohne Anstrengung erklimmbar – mit dem Fahrstuhl. Über eine spiralförmig angelegte Rampe schlendere ich wieder hinab. Während draußen saunagleiche Temperaturen herrschen ist es drinnen gemäßigt klimatisiert; mehrmals am Tag wird mit feinem Wassernebel künstlich Luftfeuchtigkeit geschaffen. Unter der zweiten Kuppel, dem Flower Dome wurden länderspezifische Gartenregionen mit typischen Bäumen eingerichtet: Hier wachsen dickbauchige Baobabs, knorrige Olivenbäume, chilenische Araukarien. Da bald Weihnachten ist, gibt es zusätzlich eine Ausstellung farbenfroh geschmückter Weihnachtsbäume. Der Flower Dome ist das größte Glasgewächshaus der Welt.

Flower Dome
Flower Dome

Außerhalb dieser kostenpflichtigen Gewächshäuser stehen die so genannten Supertrees. Es sind 25 bis 50 Meter hohe Beton- und Stahlgerüste, die mit unterschiedlichen Pflanzen begrünt wurden. Regenwasser wird zur Bewässerung der Pflanzen gesammelt, über Solarzellen wird Strom für Beleuchtung und Kühlsysteme gewonnen. Zwei der Türme sind über einen Skywalk miteinander verbunden. Ich habe Glück, denn gerade nach dem letzten Regenguss wird dieser Skywalk wieder geöffnet. Kurz vor 20 Uhr gibt es zum Abschluss eine Licht- und Tonschau; ein erhebendes, farbenfrohes Erlebnis, das sich niemand entgehen lassen sollte.

Fazit: Singapur ist jederzeit eine Reise wert – vor allem für Menschen, die mehr als nur shoppen möchten … wobei ein Einkaufsbummel durchaus eine Option ist.

Nach dem Einkauf in der Orchard Road
Nach dem Einkauf beim Überqueren der Orchard Road