Neuseeland: Christchurch 2013 – Welcome to Cone-City

„Welcome to Conecity“ begrüßt uns der Taxifahrer mit dem wir vom Flughafen Christchurch in die Innenstadt zu unserem Bed + Breakfast fahren. Je weiter wir ins Zentrum kommen desto zahlreicher werden die rotweißen Markierungskegel der Straßenbauer. Cone-City – Kegelcity, jetzt verstehen wir was er meint.

Dass Christchurch vor zwei Jahren von einem Erdbeben der Stärke 6,8 heimgesucht wurde, wissen wir. In unseren Medien wurde es ja kurz erwähnt und bei vergleichsweise wenigen Toten – nur 185 – nahmen wir an, dass es nicht so schlimm war und nach zwei Jahren das Gros der Schäden behoben sei. So dachten wir.

Unser schönes, aus Holz gebautes Hotel (Windsor) aus der Zeit Königin Viktorias, in dem wir vor vier Jahren einige Nächte verbrachten, konnten wir Ende 2012 auf Grund der Erdbebenschäden nicht buchen. So stand es im Internet. Wir dachten es würde renoviert. Doch dort wo das Hotel stand ist ein leerer Schotterplatz – das Hotel ist verschwunden, einfach weg. Darauf waren wir nicht vorbereitet.

Wir übernachten nur gut 200 m entfernt in einem ebenso alten hübschen Holzhaus, dem Orari B+B. Das Haus wurde 18Christchurch, Orari B & B69 aus dem harten Holz des Kauribaumes gebaut. Es wurde zwar auch von dem Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen, aber die Grundkonstruktion erlitt keinen Schaden und nach drei Monaten konnten wieder Gäste aufgenommen werden. Übernachtungen in Bed und Breakfast Unterkünften gehören in Neuseeland zu den oberen Preisklassen. Diese Unterkünfte haben meist große Zimmer, breite Betten, hervorragenden Service und einen Garten. So auch das Orari. Für den Start nach 30 Stunden Flugreise und 12 Stunden Zeitverschiebung ist dies eine wunderbares Refugium. Das Orari ist eines der ganz wenigen Gebäude, die in der Innenstadt stehen blieben. Anstelle der einst 6500 Betten gibt es heute nur noch ein Drittel.

Direkt gegenüber liegt die Art Gallery. Das Gebäude hat das Erdbeben vergleichsweise gut überstanden. Hier wurde die Einsatzzentrale für die Ersthelfer eingerichtet. Doch 100% intakt ist die Struktur des Stahl- und Glasfassadengebäudes nicht. Es wurde bis auf Weiteres geschlossen.
Wir laufen Richtung Zentrum der Innenstadt, dort wo sich Geschäfte, Restaurants, Banken und die Kirche befanden. Wir passieren Parkplätze und Brachland – hier standen überall Häuser.

Dann ist Schluss. Wir stehen vor einem Zaun der quer über die Straße geht. So hoch, dass ich nicht mal  darüber fotografieren kann. Dahinter sehen wir zerstörte Häuser, leere Straßen, Staub. Eine Abrissbirne schwingt donnernd gegen eine Mauer. Von einer Litfasssäule flattern halb abgerissene Plakate im Wind. Die Kathedrale. Der Turm ist komplett eingestürzt, einzig das Eingangsportal ist noch erkennbar – wenn man es weiß. Die Kathedrale wird wohl abgerissen und nicht wieder aufgebaut.Christchurch, ErdbebenschädenWir sind schockiert, deprimiert, desorientiert. Wir wissen nicht wohin wir gehen sollen. Wie manch anderer Tourist. Im Innenstadtbereich wurden daher spezielle Tafeln aufgestellt, zusätzlich gibt es kleine Faltpläne. Drei von vier Häusern in der Innenstadt werden abgerissen, erzählt unsere Wirtin. 8-10 Jahre wird der Wiederaufbau wohl noch dauern.

Dann stehen wir auf einem Parkplatz mit einer knallbunten Fassadenwand. Das sieht nett aus – endlich etwas Farbe im Abrissgrau – und dahinter befindet sich die Cosmic City eine völlig andere, neue Welt. Re:start wurde im Oktober 2011 eröffnet. In leuchtenden Farben angestrichene Schiffscontainer beherbergen allerlei Geschäfte. Die kleine Einkaufsmeile, an der Stelle wo früher die Haupteinkaufsstraße verlief, ist mit bunten Tüchern als Schattenspender überdacht – man kann richtig schön shoppen hier. Geldautomaten und Banken sind natürlich auch da – alles mobil hier.
Was wäre eine Einkaufsmeile ohne Essen und Trinken? Mobil und bunt.

Christchurch, Container-CityDas Beben als Chance sehen, das praktizieren die Bewohner gerade. Die Stadt wird wieder aufgebaut. Und weil das alles nicht so schnell geht, wurden erst mal die grauen Betonwände bemalt. Graffitikunst an vielen Stellen.

Beim Wiederaufbau soll kein Gebäude höher als sieben Stockwerke werden, es sollen Stelzen mit Stoßdämpfern unter die Fundamente. Erdbebensicher so gut es geht. Namhafte Architekten wie Norman Foster und der Japaner Shigeru Ban haben Entwürfe eingereicht. Christchurch bekommt ein neues, ein ganz anderes Gesicht. Wir sind gespannt wie es in fünf Jahren aussehen wird.

70.000 Menschen sind nach dem Beben weggezogen, 350.000 sind geblieben oder zurückgekehrt. Unser Schock vom Ankunftstag ist verflogen, in Christchurch herrscht Aufbruchstimmung, ein bisschen wie Berlin nach der Wende. Es dauert ein paar Jahre, aber es wird wieder – bestimmt.