Begegnung am Volunteer Beach

Der junge Herr kommt mit leicht schwankendem Gang zielstrebig direkt auf mich zu. Mit seinem  kerzengerade aufgerichteten Körper sieht er größer aus als er ist. Makellos strahlen das Weiß seines Hemdes und seine beinahe schwarze Frackjacke. Er sieht royal aus. Unmittelbar vor mir bleibt er abrupt stehen und richtet seine tiefbraunen Augen auf meine schwarze Regenhose. Ich sitze mit lang ausgestreckten Beinen auf dem nackten kalten Erdboden und höre auf zu atmen. Neugierig, aber sehr vorsichtig testet er mit seinem langen spitzen Schnabel das Material meiner Regenhose. Drei seiner Kumpel sind ihm in einem Meter Abstand gefolgt und beäugen mich nun ebenfalls. Was mag sie an mir interessieren? Glauben sie vielleicht ich sei ein etwas zu groß geratener Aptenodytes patagonicus also einer aus ihrer Familie? Nach dem zweifachen Schnabeltest der Hose und der wasserdichten Goretex-Wanderschuhe steht für ihn aber wohl fest: Ich bin kein Königspinguin und damit uninteressant. Mit seinen Kumpels im Schlepptau spaziert er weiter. Meinen hinter mir sitzenden Mann würdigen die Tiere keines Blickes – er trägt eine blaue Regenhose.

Neugieriger Königspinguin

Für drei Nächte haben wir uns im Haus des Wildhüters am Volunteer Beach auf Ostfalkland eingemietet. Derek, der Wildhüter, und seine Frau achten darauf, dass die Besucher den Abstand von sechs Metern zur gut 2000köpfigen Pinguinkolonie einhalten. Doch nur die brütenden Tiere und diejenigen mit Küken auf ihren Füßen bleiben in der Kolonie. Alle anderen – besonders diejenigen die auf Brautschau sind – spazieren gemütlich zwischen dem flachen Sandstrand und der einigen hundert Meter entfernten Kolonie umher. Sind sie des Spaziergangs müde stehen oder liegen sie auf der Wiese und dösen und manchmal gesellen sich ein paar der wesentlich kleineren Magellanpinguine dazu.

Königspinguine – paarweise

Seit unserem letzten Besuch vor fünf Jahren hat sich die Kolonie verdoppelt. Es scheint ihnen gut zu gehen. Beinahe jeder Königspinguin in der Gruppe hat ein Ei oder ein Küken auf den Füßen. Sie stehen gerade und eng. Kommt der Nachbar zwei Millimeter zu nahe, wird er mit dem Schnabel degenartig attackiert – oder es setzt Hiebe mit den Flügeln. Den geschätzt 20 x 20 cm großen Stehplatz verlässt der Pinguin dabei keinen Millimeter. Das Ei oder das Küken könnten dabei zu Schaden kommen. Königspinguine bebrüten ihr Ei in einer Hautfalte am unteren Bauch. Beide Eltern wechseln sich dabei im zwei- bis drei Wochenrhythmus ab, damit der nichtbrütende Partner auf Futtersuche gehen kann.  Nach etwa 55 Tagen schlüpft das Küken. Es bleibt noch 30 bis 40 Tage zwischen den Füßen der Eltern bis ihm ein braunes warmes Daunenkleid gewachsen ist. Dann sehen die Kleinen aus wie gefederte Wäschesäcke und stehen oft mit dem Rücken an Mamas Bauch gelehnt auf eigenen Füßen. Sind die Jungen größer stehen sie mit gleichgroßen Altersgenossen beisammen, meist in der Mitte der Kolonie. Nun gehen beide Eltern auf Futtersuche und finden ihre Küken durch laute Rufe wieder.

Königspinguine mit Küken in der Kolonie

Wir sind glücklich im Haus des Wildhüters übernachten zu dürfen. Schon am frühen Morgen wandern wir über den etwa 1000 m langen Sandstrand. Das Wetter ist typisch falkländisch. Am ersten Tag peitscht ein heftiger Sturm mit Windstärken von 8-9 über Land und Wasser. Die Wellen sind unglaublich wild, die Gischt wird abgeweht. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten, und den Pinguinen geht es ähnlich. Sie kämpfen sich schwer und vollgefressen durch den Wind und den Sand. Dann prasselt ein kurzer Hagelschauer nieder danach scheint für einen kurzen Moment die Sonne. Die Temperaturen liegen zwischen 5 und 10 Grad, immerhin über Null.

Königspinguine am frühen Morgen

Gegen 11 Uhr kommen die Tagestouristen. Sie bleiben meist zwei Stunden. Häufig sind es nur 5-10 Besucher, aber wenn ein Kreuzfahrtschiff im zwei Autostunden entfernten Hafen der Hauptstadt Stanley liegt, sind es auch schon mal 180. Dann ist es wirklich voll hier. Gegen 16 Uhr fahren die letzten Tagestouristen zurück. Wir haben das Terrain wieder für uns allein – natürlich müssen wir den weiten, weißen Sandstrand noch mit einigen Hundert Esels- und Magellanpinguinen teilen.

Volunteer Beach mit Regenbogen
Volunteer Beach mit Regenbogen