Venedig bei Nacht und Nebel

Die Kleidungsstücke in meinem Köfferchen würden durchaus einer Expedition nach Harriniva (Finnland) im November Stand halten, einschließlich Skiunterwäsche und Handschuhen habe ich alles dabei. Dabei geht es nur vier Tage nach Venedig. Wegen des Nebels.

Ankunft: Mit dem Boot in die Stadt

Tja, bei der Ankunft ist der Himmel strahlend satt blau. Auch gut. Am Flughafen stelle ich in der Ankunftshalle fest, dass man mit Alilaguna für 25,- Euro  (Hin- und Rück) direkt mit dem Boot nach Venedig fahren kann. Die Fahrt dauert mit 1 Stunde und 10 Minuten etwas länger als mit dem Bus, aber Bus fahren kann ich überall. Durch eine Schneise aus Pfählen fährt das Linienboot wie auf einer Autobahn über die Lagune. Das Bootsverkehrsaufkommen ist beeindruckend hoch und an den diversen Haltepunkten wie Murano, Fondamente Novo und Lido gibt es sogar Stau!

Der Weg führt vorbei an der Friedhofsinsel San Michele. Die Insel ist fast 18 ha groß und dort befindet sich der Zentral-Friedhof Venedigs. Bereits 1858 wurde das Gelände aufgeschüttet und mit einer hohen Mauer umgeben um sie vor Hochwasser zu schützen.

Blick auf San Michele
Blick auf San Michele

San Marco

Die Basilika ist dem heiligen Markus geweiht zurAufbewahrung von dessen Gebeinen. Die Kirche fiel 976 einem Brand zum Opfer, wurde jedoch wieder aufgebaut und auf wundersame Weise fanden sich im Jahr 1094 sogar die Gebeine des Heiligen wieder.

Der zum Ensemble gehörende, frei stehende Glockenturm aus dem Jahr 1514 stürzte beim Versuch einen Fahrstuhl einzubauen im Jahr 1902 ein. Er wurde – mit Lift – wieder aufgebaut und von oben soll man eine herrliche Sicht auf die Stadt haben. Doch ich muss erst mal meinen Koffer los werden. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Ausflug nach Burano

Wieder scheint die Sonne. Wir wollten doch Nebel. So ein Ärger. Früher hätte ich mich über strahlend blauen Himmel gefreut. Nun ja. Wir nehmen ein Boot und fahren raus nach Burano.

Burano ist eine weitere Insel in der Lagune von Venedig. Eigentlich besteht Burano aus vier einzelnen Inseln, so ist es nicht verwunderlich, dass wir ständig an Kanälen entlang laufen. Die Häuser sind mit leuchtenden Farben angestrichen und spiegeln sich im Wasser.

Endlich Nebel

Der nächste Tag. Wir – meine Potsdamer Freundin und ich – wollen den Markusplatz ohne Touristen fotografieren und sind zum Sonnenaufgang dort. Wir wollten zwar Nebel, aber doch nicht so eine Suppe! Vom fast 100 m hohen Campanile ist nur das Fundament zu sehen.

Campanile San Marco
Campanile San Marco

Von der Basilika de San Marco nehmen wir nur vage Umrisse wahr und doch – die Stimmung ist einmalig. Es ist total ruhig. Nur wenige Menschen laufen über den Platz, etliche davon sind wie wir mit einem Stativ unterwegs.

Der Nebel ist so dicht, dass wir kaum das Wasser hinter den Gondeln erkennen können. Gespenstisch und schön. Wir können kaum so schnell fotografieren wie wir Motive sehen. Ich falle in einen regelrechten Rausch.

Doch dann ist der Spuk vorbei. Der Nebel bleibt zwar, aber es ist heller, auf dem Platz wird es unruhiger, die ersten asiatischen Touristen tippeln schnatternd hinter dem gelben Fähnchen ihres Guides her. Wir schieben das Stativ zusammen und gehen zurück ins Hotel – Frühstücken.

Markusplatz im Nebel
Markusplatz im Nebel

In Anbetracht des Nebels vertagen wir unserer für heute geplantes Programm auf Morgen. Aussichtsturm in grauem Niesel macht keinen Sinn – für den Besuch eines Friedhofs ist das Wetter dagegen ideal. Von unserem Hotel Canaletto sind es nur 15 Minuten zu Fuß zum großen Bootsanleger Fondamente Novo. Von hier fährt das Linienboot alle 10 Minuten zur Friedhofsinsel San Michele.

Ausflug nach San Michele

Heute ist die Insel allerdings vom Ufer aus nicht sichtbar! Schlagartig wird klar warum die Schneisen für die Boote autobahnähnlich mit Pfählen abgesteckt sind – ohne diese wäre die Orientierung für kleinere Boote an einem solchen Tag nicht möglich.

San Michele ist komplett mit Gräbern belegt und es gibt fast jede erdenkliche Bestattungsform: Vom Urnengrab über Erdgräber mit einfachen Kreuzen bis hin zum hausähnlichen Grabmal.

Angelegt sind die Gräberbereiche wie ein griechisches Kreuz. Die Hauptachsen werden von alten, hohen Zypressen umsäumt, die einzelnen Grabfelder sind durch Mauern abgetrennt. In diesen Mauern sind die  Urnengräber (Columbarien) untergebracht; auf der Nordseite reihen sich die Beinhäuser (Ossuarien) aneinander. Im älterenTeil sind die Gräber streng nach Konfessionen und Gruppen eingeteilt: katholisch, griechisch, evangelisch, Gräber für Kinder, Gräber für Militärangehörige (sofort erkennbar an der kleinen italienischen Flagge an jedem Grab). Auch Persönlichkeiten wie der Komponist Igor Stravinsky und der Schriftsteller Joseph Brodsky fanden auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhe.

Aus Platzmangel werden manche Tote zunächst in normalen Gräbern beigesetzt, später exhumiert und in die hohen Ossuarien gestapelt. Doch der Platz bleibt knapp. 1998 erhielt der Architekt David Chipperfield den Auftrag für weitere 15000 Grabstätten. Es entstanden eine Kapelle, ein Krematorium, Columbarien und eine Rasenfläche.

Die schönste Stimmung ist jedoch für mich im älteren Teil des Friedhofs.

Hundemode am Canale Grande

Nach der Ruhe des Friedhofs schlendern wir über die belebte Haupteinkaufsstraße, die rechts vom Canale Grande verläuft. Neben wirklich netten Geschäften und schick gekleideten Venezianern fasziniert uns vor allem die Hundemode – von zartrosa Plüsch bis dezent schwarzem Kunstledercape ist alles vorhanden. Es ist gefühlt auch richtig kalt, ich bin froh, dass ich Mütze und Handschuhe dabei habe.

Hundemode in Venedig
Hundemode in Venedig

Dann sehen wir eine Gruppe von fröhlichen Herren mittleren Alters, die vor einem Cafe ein orange-rotes Getränk mit einer dicken, grünen Olive zu sich nehmen: einen „Spritz“. Spritz kommt ursprünglich vom österreichischen „Gespritzten“ (Wein mit Wasser). In Venedig nimmt man Weißwein oder Prosecco mit einem Schuss Aperol oder Campari (al bitter). Unbedingt dazu gehört eine Scheibe Orange und eine Olive. Meist wird Spritz gegen Mittag getrunken, aber er schmeckt auch durchaus zu anderen Tageszeiten. Das können wir bestätigen!

Nebel

Ein anstrengender Tag neigt sich dem Ende. Es ist immer noch leicht nebelig, was kurz vor Sonnenuntergang gegen 17 Uhr die Stadt in einen Hauch von Rosa tunkt. Als die Lichter angehen schlendern wir zurück zum Hotel. Durch möglichst schmale Gassen.

Daheim würde ich solche schummerigen, engen Gassen niemals betreten, hier erscheint es ganz normal und uns kommen zu keiner Zeit Bedenken, dass wir nicht sicher sein könnten. Auch wenn, oder gerade weil, auf den Fotos etliche Müllsäcke zu sehen sind: Venedig ist eine sehr saubere Stadt, auch in den Seitengassen. Der Müll wird abends zusammengekehrt, in Beuteln auf die Straße gestellt oder an die Hauswand gehängt und irgendwann in der Nacht abgeholt.

Venedig im November – in jedem Fall die Reise wert.