Neuseeland: Tongariro Crossing – die schönste Wanderung der Welt

Eigentlich mag ich keine Vulkane, ja im Prinzip hasse ich sie; sie stehen meist so erhaben und majestätisch allein in der Landschaft und ich kann das Bedürfnis nur schwer unterdrücken, den Gipfel erklimmen zu wollen. Zwischen zwei Vulkanen durchzulaufen ist vielleicht nicht ganz so beschwerlich wie Gipfel zu stürmen – dachte ich. Die 17 Kilometer lange Traverse des 1.968 m hohen Tongariro im gleichnamigen Nationalpark gilt als eine der schönsten Tageswanderungen in Neuseeland.

Das haben auch mehrere 100 andere Tramper (so heißen down under die Wanderer die nur einen Tag unterwegs sind) gelesen und so schlängelt sich am Morgen ein buntes Band von Wanderern munter und voller Elan auf dem gut ausgebauten, befestigten Weg an der Mangatepopo Hütte vorbei bis zu den Soda Springs.

Auf dem Weg zum Hell's Staircase
Auf dem Weg zum Hell’s Staircase

Der Himmel ist nur leicht bewölkt, die Sonne scheint und jetzt, im Februar, blühen rechts und links des Weges Besenheidesträucher. Das sieht wunderschön aus, aber Besenheide ist eine eingeführte Pflanze, die mittlerweile wuchert und die einheimische Pflanzenwelt verdrängt. Nach einer Stunde erreichen wir die Soda Springs.

Hell’s Staircase

Ab hier ist es mit der gemütlichen Lauferei vorbei: Die Teufelstreppe (Hells Staircase) liegt vor uns. Es handelt sich um einen teilweise befestigen Weg aus Lavaasche und Steinen mit unzähligen Treppenstufen. 200 Höhenmeter sind zu überwinden. Es geht steil bergauf – gut, dass ich meine Trekkingstöcke mitgenommen habe! Eine jugendliche Japanerin in Turnschuhen hinter mir keucht schnaufend: „Once – but never again!“

Tongariro Crossing, Hell's Staircase bis South Crate
Hell’s Staircase

Zwischen zwei Vulkanen

Orangerot markierte Holzpfosten als Wegzeichnung sind alle zwei Meter gesetzt – ich frage mich warum, denn der Pfad ist wirklich eindeutig zu sehen. Dann verschwindet die Sonne hinter einer dicken Wolke und genau in diese Wolke hinein führt der Weg. Als mein Mann, der etwa zweieinhalb Meter vor mir herstiefelt, plötzlich von einer Nebelwolke verschlungen wird, begreife ich den Sinn der eng gesteckten Markierungen! Ich sehe weder meinen Mann noch den übernächsten Wegposten! Am Ende des fast einstündigen Aufstiegs stehen wir am ersten Kraterrand, dem South Crater (1.600 m).

Zur rechten Seite befindet sich laut Wegweiser der 2.291 m hohe Mt. Ngauruhoe . Sehen können wir ihn nicht. Wenn wir genug Zeit hätten, könnten wir einen Abstecher auf den Gipfel des Mt. Ngauruhoe machen, laut Karte ist dies in 2,5 Stunden zu schaffen. Aber warum sollten wir das tun? Bei einer atemberaubenden Fernsicht von zwei Metern macht wandern im Schotter nicht so wirklich Spaß. Außerdem mag ich ja keine Vulkanbesteigungen. Das lassen wir also.

Wir steigen stattdessen in den South Crater hinab und laufen hindurch. Das bringt uns unter die Wolkendecke und es ist wunderbar. Einfach nur ebenerdig geradeaus laufen auf weichem, leicht lehmigem Boden und ohne zu schnaufen; doch das Ende naht, die nächste Kraterwand ist schon in Sicht!

Emerald Lakes in Wolken

Der nächste Hang ist schnell erklommen, wir stehen am höchsten Punkt des Weges auf 1.886 m am Rand des Red Craters und sollten jetzt einen fantastischen Blick auf die Emerald Lakes haben. So steht es geschrieben. Aber wieder sind wir eingehüllt in eine graue, undurchsichtige Masse aus feinsten Tröpfchen; kalter Wind fegt um unsere Nasen. Schäbig hier. Unangenehm. Enttäuschend. Dabei hatte ich so schöne Fotos gesehen! Wir trösten uns mit Schokolade. Obwohl es so feucht und nebelig ist, trage ich noch meine kurze Hose, an den Beinen ist mir nicht kalt, nur an den Händen. Daher ziehe ich meine Handschuhe an. Sehr komischer Aufzug, der aber leicht zu erklären ist: Die Beine werden von unten gewärmt mittels Fußbodenheizung! Der Vulkan ist noch aktiv und die Erde auf der wir stehen ist warm.

Tongariro Crossing, Emerald Lakes
Blick auf Emerald Lakes

Gerade als wir weitermarschieren wollen, reißt die Nebelwand auf und gibt den Blick frei auf einen unglaublich unwirklich türkis-smaragdgrünen See. Es ist wie eine Fata Morgana. Schnell wird die Kamera gehoben und auf den Auslöser gedrückt was das Zeug hält. Nach wenigen Sekunden zieht ein neuer Wolkenvorhang vor unsere Augen. Ende der Vorstellung! Da wir den letzten Bus um 17 Uhr erreichen müssen, können wir nicht ewig auf die nächste Wolkenlücke warten und müssen wohl oder übel weiter. Wir laufen, nein, rutschen den steilen Aschehang hinab und sind am Fuß unter dem Nebel, direkt an einem der Smaragd Seen! Grandios. Die intensive Farbe des Wassers wird durch Mineralien hervorgerufen. Eine ekelig „duftende“ Schwefelwolke dringt in unser Geruchsorgan. Nein, dieser Platz ist wohl doch nicht so geeignet für eine Mittagspause.

Abstieg im Nebel

Weiter geht es, dieses Mal relativ gemäßigt bergauf am Rande des Blue Lake vorbei. Der Blue Lake gilt den Maori, den Ureinwohnern Neuseelands, als heilig. Der kleine Höhenunterschied reicht aus um erneut vom Nebel eingehüllt zu werden. Ist sicher besser so. Wir sehen dadurch nicht die demotivierende endlose Schlangenlinie des Weges der nun mit unzähligen Stufen nach unten führen wird. Immerhin müssen wir knapp 1300 Höhenmeter absteigen. Bei Sonne wären wir wohl bei lebendigem Leib gebraten worden an diesem Hang und wahrscheinlich wären wir dauernd stehen geblieben weil wir von hier einen tollen Blick auf den Mt. Pihanga, den Lake Rotoaira und den Lake Taupo gehabt hätten. So setzen wir also in feucht-grauen Nebelschwaden einen Fuß vor den anderen und erreichen nach einer Stunde die Ketetahi Hütte. Hier könnten wir bei Bedarf Trinkwasser nachfüllen.

Nach kurzer Rast geht es weiter, stetig aber sanft bergab, das kahle Gestein ist längst unter dichter Vegetation verschwunden. Ein kurzes Stück laufen wir durch Privatgelände mit einer heißen Schwefelquelle, dann erreichen wir den Wald. Der Abstieg von der letzten Hütte hat sich endlos gezogen und doch erreichen wir den Parkplatz und damit unser Ziel eine Stunde vor der veranschlagten Laufzeit von acht Stunden. Es war eine lange, aber wunderschöne und für uns nicht zu anstrengende Tour.

Allgemeine Infos zum Tongariro-Crossing

Haupt-Ausgangsorte

Taupo, National Park oder Whakapapa Village

Anfahrt zum Tongariro-Crossing

Shuttle-Busse fahren von den genannten Ausgangsorten, Tickets erhälst Du in den Unterkünften, im Bus oder bei Reiseveranstaltern

Wanderzeit

Laut DOC (Department of Conservation) benötigen Wanderer:
•  Parkplatz SH47 – Soda Springs: 1-1,5 Stunden
•  Soda Springs – South Crater: 1 Stunde
•  South Crater – Red Crater: 1 Stunde
•  Red Crater – Emerald Lakes: 10 Minuten
•  Emerald Lakes – Ketetahi Hut: 1,5 Stunden
•  Ketetahi Hut – Parkplatz SH46: 2 Stunden

Die Zeit ist meines Erachtens gut bemessen, man kann langsam gehen und zwischendurch Pausen machen. Kondition ist jedoch erforderlich.

Kleidung

  • Wander-/Trekkingschuhe
  • winddichte Jacke
  • warmer Pulli/Fleece
  • Regencape

Wetterverghältnisse am Tongariro

Über die Wetterverhältnisse informiert das DOC in den o.g. Ausgangsorten. Egal wie das Wetter am Vorabend ist, man sollte in jedem Fall vor der Wanderung nachfragen. Der Tongariro ist bekannt für plötzliche Wetterumbrüche, auch im Sommer muss ab 1.500 m mit Schneefall gerechnet werden. Selbst wer bei wolkenlos blauem Himmel kurzhosig im T-Shirt losläuft muss warme, wind- und wetterfeste Kleidung dabei haben. Wer mit einem Bus zum Parkplatz (SH 47), dem Ausgangspunkt der Wanderung, gebracht wird, muss seinen Namen und seine Handynummer auf einer Liste eintragen. Die Wanderung endet am Parkplatz des SH 46 und hier wird beim Einsteigen in den Bus der Name auf der Liste abgehakt. Sind beim letzten Bus nicht alle Namen mit einem Haken versehen, läuft eine Suchaktion an.

Bis zu 700 Wanderer täglich (!) sind im Hochsommer auf diesem Wanderweg, da kann man sich doch nicht verlaufen! Doch! Wer im dichten Wolkennebel vom Weg abgeht, weil er z.B. ein etwas ruhigeres Örtchen für ein dringendes Bedürfnis sucht und dann die Orientierung verliert hat schlechte Karten. Wer auf dem Weg zu Gipfel des Mt. Ngauruhoe von einer Wolke überrascht wird, kann ebenfalls leicht die Orientierung verlieren. Seitens des DOC ist diese Wanderung wirklich gut durchorganisiert und doch gibt es immer wieder Unfälle mit tödlichem Ausgang.