Zypern: Auf dem Besparmak-Trail von Kap zu Kap

„Beşpar … was für einen Trail wollt ihr laufen?“ „Beşparmak-Trail. Von Westen nach Osten quer durch die Türkische Republik Nordzypern. Der 257 km lange Trail ist zwar nicht so bekannt und landschaftlich spektakulär wie der Milford-Trek, dafür bist Du aber meist allein unterwegs – abgesehen von tierischen Mitwanderern die sich eher langsamer fortbewegen.“

„Wie kommt ihr denn dort hin?“ „Ganz einfach: Direkt ab Düsseldorf mit Turkish Airlines via Istanbul.“ Der Linienflug ist nur wenige Euro teurer als der Billig-Airlineflug und Turkish Airlines überrascht mich mit Beinfreiheit, gutem Service und richtig schmackhaftem Essen von dem ich sogar satt werde! So wie früher bei renommierten Linienflügen. Ganz pünktlich landen wir am Flughafen Ercan und beziehen nach 45 Minuten Taxifahrt unser erstes Quartier in Lapta an der Nordküste.
Der Beşparmaktrail erstreckt sich vom Kap Korucam im Westen bis zum Kap Zafer im Osten. Insgesamt ist diese Wanderung in 18 Etappen aufgeteilt; wir – mein Mann und ich – haben nicht so viel Zeit und entscheiden uns für acht Abschnitte. Wir übernachten in kleinen Hotels/Pensionen und lassen unser Gepäck transportieren. Wir haben über den auf Zypernreisen spezialisierten Anbieter Meridian Touristik ein Rundum-Sorglos-Paket gebucht und müssen uns um nichts kümmern sondern nur noch laufen.

Kap Korucam

Ein Taxi fährt uns in einer knappen Stunde auf einer schmalen, glatt geteerten Landstraße von Lapta zum westlichsten Ende Nordzyperns. Ein stählerner Leuchtturm steht einsam auf schroffem Fels. Das graue Gestein rings herum ist scharfkantig und zerklüftet beinahe wie AA-Lava. Wenig einladend. Zwischen den Felsen liegt Müll. Viel Müll. Schade. Nun ja, Türken lassen ihren Müll fallen wo sie gerade sind, denke ich! Das stimmt so nicht. Hier liegt Plastik in Fragmenten aller Größen, Formen und Farben. Nur ein sehr geringer Teil stammt von Ausflüglern die hier Picknick machten, der größte Teil kommt aus dem Meer und mit jedem Sturm wird neuer Müll angeschwemmt. Es ist unser Abfall. Laut WWF schwimmen heute in jedem Quadratkilometer Meer bis zu 46.000 Teile Plastikmüll. Den meisten Urlaubern fällt es nur nicht in dem Maße auf, weil die Badestrände an vielen Orten täglich gereinigt werden.

In dieser öden Gegend, zwischen Steinen und Müll – den ich für das Foto wegräume –Kap Korucam - Dorf Korucam wachsen Blumen. Scheinkrokusse. Es ist März und damit Frühling. Die beste Jahreszeit, es ist noch nicht so heiß und überall erwacht die Vegetation zu neuem Leben.

Der Trampelpfad mit grün-weißer Markierung auf den Steinen folgt zunächst der Küste. Die Sonne scheint, 18-20 Grad sind genau richtig zum Wandern. Nachdem wir das Dorf Sadrazamköy passiert haben führt der Weg sanft bergauf: die ersten Ausläufer des Beşparmak-Gebirgszuges. Wolken ziehen auf, es folgt leichter Nieselregen und dann entleert ein rabenschwarzes Ungetüm seine Fracht auf uns. Zum Glück sind wir kurz vor unserem Etappenziel dem maronitischen Dorf Koruçam. Als einzige Gäste lassen wir uns in einem Café mit derben Holzstühlen und Tischen nieder. Zum Aufwärmen und für die Stimmung gibt’s einen türkischen Mocca – heiß und stark. Alles ist gut, auch wenn die Füße nass sind. Zum Glück hat unser Hotelzimmer Klimaanlage – zum Heizen und Schuhe trocknen.Der nächste Morgen. Blick über den Pool. Hübsch anzuschauen. Schwimmen wollten wir heute ohnehin nicht.Lapta

Sankt Hilarion – aus der Zeit der Kreuzfahrer

Ein Taxi bringt uns hinauf in die Berge nach St. Hilarion. Zu Fuß kämen wir nicht ohne Weiteres hierhin, denn die Teerstraße führt durch militärisches Sperrgebiet und das darf ausschließlich im Auto durchfahren werden. Auch Fahrräder sind nicht erlaubt.
Der Aufwand lohnt sich in jedem Fall. Auf einem steilen Kalksteinfelsen thront die Festung. Wenn Steine erzählen könnten! Die Mauern haben unter ihren vielen Besitzern schon alles gesehen: Belagerungen, Fremdherrschaft, Prunk, blutige Rachefeldzüge. Im 9. oder 10. Jh. wurde hier ein Kloster errichtet, benannt nach dem Heiligen Hilarion. Hilarion war einer der Begründer des christlichen Mönchwesens im Orient und verbrachte seine letzten Jahre als Eremit in einer Höhle im Beşparmakgebirge. Um 1100 lässt der byzantinische Gouverneur Zyperns das Kloster auflösen und die Gebäude mit Wehrmauern umgeben. Über die nächsten 400 Jahre wechselt die Festung – und mit ihr meist die ganze zyprische Insel – etliche Male den Besitzer und die Funktion. Die Franken nutzen Hilarion als Rückzugsort vor Feinden, für die nachfolgenden Lusignan wird sie zur kühlen Sommerresidenz in der pompöse Feste gefeiert werden. Guido von Lusignan entstammte einer französischen Adelsfamilie und kaufte von Richard Löwenherz das Königreich Zypern, das dieser kurz zuvor erobert hatte. So einfach war das. Etwa im 15. Jh wird die Burg aufgegeben. Sie verfällt und die Natur richtet sich wieder ein. Wir sehen heute nur die Ruinen der außergewöhnlichen byzantinischen Kirche deren Kuppel von acht Säulen getragen wurde.

St. Hilarion nach Bellapais
Nach der zweistündigen Besichtigung heißt es wieder marschieren, entspannt am Hang entlang, auf Forstwegen ohne nennenswerte Hindernisse, wenn wir von der Brandschneise absehen, die wir steil raufkrakseln müssen. Bei einem verheerenden Waldbrand verbrannten 1995 beinahe 75 qkm Waldland (das ist zwei Mal die Fläche NRWs), einige 100.000 Bäume wurden vernichtet. 20 Jahre später sind große Flächen aufwändig terrassiert und wieder aufgeforstet; neue Brandschneisen und breite, befahrbare Forstwege sollen solche Katastrophen zukünftig verhindern.

Bellapais – die Abtei

Am Ende des Tages blicken wir auf die Abtei von Bellapais, eines der schönsten gotischen Bauwerke der Levante, so verspricht unser Reiseführer. Die Abtei wurde 1198 von Augustiner-Chorherren gegründet. Diese waren vor Saladin aus Jerusalem geflüchtet. Vom Lusignan König Hugo I bekamen die Augustiner Ländereien geschenkt und nahmen nach 1206 die Gebräuche der Prämonstratenser-Chorherren an. Die Prämonstratenser sind laut Wikipedia „der größte römisch-katholische Orden regulierter Chorherren. Der Orden ist ein Zusammenschluss selbstständiger Klöster und wurde im Jahr 1120 von Norbert von Xanten mit dreizehn GBellapais, Abteiefährten in Prémontré (F) gegründet.“ Eine Besonderheit der ersten Gemeinschaften war, dass es sich bei ihnen um Doppelklöster handelte, in denen Frauen und Männer in organisatorisch getrennten Konventen lebten. Die Abtei Bellapais entwickelte sich prächtig und dem Abt wurde das Recht erteilt bei Messen die Bischofsmitra zu tragen. Außerhalb des Klosters durfte er sich mit Schwert und goldenen Sporen „dekorieren“. Disziplin und Moral der Mönche ließen im Laufe der Jahre allerdings stark nach. Ein vom Senat geschickter Inspektor berichtet entsetzt, dass einige Mönche gleich mit mehreren Frauen zusammen leben und als Novizen nur noch ihre eigenen Söhne akzeptieren. Zu Strafmaßnahmen kam es nicht mehr – die Osmanen waren schneller und vertrieben 1571 die lateinischen Christen. Die örtliche Bevölkerung nutzte die Abteigebäude als praktischen Steinbruch; Kirche und Refektorium blieben zum Glück erhalten.
Wir stehen heute vor einer großen Toranlage, einer massigen Kirche, einem gewaltigen Kreuzgang. Tagsüber wälzen sich bunt gekleidete, mit Fotowerkzeugen aller Art bewaffnete Touristen durch die Anlage. „Gehen Sie doch mal ein Stück an die Seite, damit ich auch ein Foto machen kann!“, kräht es hinter mir in gesächseltem Deutsch. Die beste Zeit die Anlage in Ruhe zu genießen ist eine gute Stunde nach dem ersten Ansturm und am späteren Nachmittag wenn die meisten Besucher in den Restaurants und Cafes relaxen. Die wenigsten übernachten hier, so dass abends die Bürgersteige hochgeklappt werden.

Der Beşparmak

Unsere nächste Wanderetappe führt uns am Fuß des Berges vorbei der dem gesamten Gebirgszug seinen Namen gab: dem Beşparmak (gr. Pentadaktylos). Übersetzt heißt es so viel wie Fünf-Finger-Berg. Die Legende berichtet vom byzantinischen Riesen Dighenis der auf der Flucht vor seinen arabischen Verfolgern die Meerenge zwischen Kleinasien und Zypern übersprang und sich an einem Felsen festkrallte. Der Felsen war jedoch so brüchig, dass er den Abdruck seiner fünf Finger hinterließ.Besparmak Pass nach Alevkaya ForststationHeute wandern wir das erste Mal durch Wald, der überwiegend aus Aleppo-Kiefern, Zypressen, Erdbeerbäumen und Lorbeer besteht.

Antifonitis – das byzantinische Kloster

Der Weg führt uns nach Antifonitis, einem byzantinischen Kloster, von dem nur noch die Kirche steht. Nach alten Schriften fühlteAntiphonitis / Antifonitis sich ein Mönch aus Kleinasien Ende des 12. Jhs in der Einsamkeit der Beşparmak-Berge so wohl, dass er den Grundstein für ein Kloster legte. Schon die Architektur der Kirche ist eine Besonderheit: Die Kuppel wird von acht Säulen-Bögen getragen – üblich sind vier Säulen. Die Fresken an den Wänden und den Säulen stammen aus dem 12./13. Jh. und 14./15. Jh. Sie gehören zu den Schönsten Nord-Zyperns die den Bildersturm der Osmanen und die 1974er Wut halbwegs überlebt haben. Abgeschlagene Köpfe bei den Erzengeln, Heilige mit ausgekratzten Augen sind doch noch überwältigend zumal unter den abgemeißelten Bildern die älteren aus der Gründerzeit zum Vorschein kamen. Eine ganze Stunde halten wir uns in der Kirche auf.

In Antifonitis werden wir von Yussuf Duman abgeholt. Er ist der Inhaber des Sinya Guesthouses, das direkt an der Küstenstraße liegt. Yussuf ist Allrounder. Seine Eltern sind Bauern, er hat Hotel- und Touristikkaufmann studiert und führt nun neben dem Guesthouse auch seinen eigenen Öko-Garten. Natürlich hält er auch ein paar Hühner und Ziegen. Wir kommen in den Genuss von frisch geerntetem grünem Spargel und zum Frühstück gibt’s selbst gemachte Marmelade und ein Zucchini-Omelett.

Auf dem 300 m entfernten Küstenstreifen blühen gelbe Margeriten und blaue Hyazinthen. Das nahe Dorf ist kein gewachsenes Dorf wie zB. Lapta, sondern eine Ferienhaus-Siedlung. Diese Siedlungen gibt es satt und reichlich an der Küste westlich und östlich von Girne. Viele Briten haben sich hier ein schmuckes Häuschen gekauft das sie Villa nennen. Manches Mal ging allerdings der Investor in Konkurs, so dass neben den fertigen Siedlungen auch sehr viele trostlos graue Bauruinen die Landschaft verschandeln.

Wir laufen durch ein Gartencenter. Dieses hat sich auf Alpenveilchen spezialisiert. So scheint es. Der Weg von Mersinlik bis ins Dorf Kantara ist rechts und links mit wilden Alpenveilchen gespickt, die weiß, zartrosa bis lila blühen. Aussicht auf dem Weg von Mersinlik nach KantaraDazwischen gibt’s immer wieder Orchideen. Für diese Tour brauchen wir beinahe zwei Stunden länger als veranschlagt, weil wir ständig auf dem Boden liegen um die prächtigen Kreationen der Natur irgendwie fotografisch festzuhalten.

Burg und Ort Kantara

Am Ende dieser Etappe steht noch der Aufstieg auf die Burg Kantara an. Aufmerksame Bildbetrachter sehen es sofort: die Stimmung ist dramatisch, passend zur Burg, verheißt aber nichts Gutes und so werden wir am Ende unserer Burgbesichtigung doch noch kalt von oben geduscht. Nur eine halbe Stunde laBurg Kantaraufen wir von der Burg bis zum Kantara Guesthouse, aber es reicht um nass zu werden. Glücklicherweise ist die Dusche im Guesthouse heiß und das Abendessen nehmen wir am knisternden Kaminfeuer ein. Wir sind – wie bisher immer – die einzigen Gäste, es ist Vorsaison.

In Kantara-Dorf stehen etliche Villen im Baustil der 70er Jahre: aufgegeben, geplündert, verfallen. Was ist hier passiert? Das, was auf der gesamten Insel Zypern passiert ist. Die Teilung der Insel in einen griechisch sprechenden, christlich-orthodoxen Teil und einen türkisch sprechenden muslimischen Teil. Bis 1959 stand Zypern unter britischer Administration. 80% griechische und 20% türkische Zyprioten lebten in Dorf- und Stadtgemeinschaften miteinander. Sie waren vielleicht nicht unbedingt befreundet, aber sie sprachen miteinander, sie machten Geschäfte miteinander, sie waren gute Nachbarn. 1960 zogen die Briten ab, die unabhängige Republik Zypern wurde gegründet. Dann, 1974, versucht die griechische Militärjunta mit einem Putsch gegen den griechisch-zypriotischen Präsidenten Erzbischof Makarios III. sich das unabhängige Zypern „einzuverleiben“. Damit ist die Regierung des Nachbarlandes Türkei nicht einverstanden und innerhalb von 10 Tagen besetzen türkische Truppen den Norden der Insel. Es kommt zur Teilung des Landes. 45.000 muslimische Zyprioten werden gezwungen ihre Heimat im griechischen Teil zu verlassen; 200.000 griechische Zyprioten werden gezwungen ihre Häuser im türkischen Teil zu verlassen. Und wofür? Wer verlässt schon gern sein Heim, seine Ländereien, sein Dorf, seine Nachbarn, seine Freunde, seine Lebensgrundlage und zieht mit nichts in der Hand um? Auf derselben Insel. Auch die Hauptstadt wird geteilt in Nikosia (griechisch) und Lefkoşa (türkisch). Die Grenze ist beinahe so hermetisch abgeriegelt wie einst die deutsche Ost-West-Grenze. 2004 gibt es ernsthafte Bestrebungen die Insel wieder zu vereinen. Es kommt zu einem Referendum. Die türkische Minderheit stimmt für die Wiedervereinigung, die griechische Mehrheit dagegen und so bleibt die Insel geteilt. Nur die Grenze – bewacht von UN-Soldaten – wird etwas gelockert. Reisende mit EU-Pass – wie wir – können ohne Probleme von „hüben nach drüben“ reisen, wir bekommen einen Stempel in den Pass und sogar ein Lächeln. Reisenden mit zyprischem Pass ergeht es feindseliger und bürokratischer, doch auch sie dürfen die Grenze überqueren. Da die Besitzverhältnisse der Immobilien nicht geklärt sind stehen diese traurigen, stummen Zeugen auf beiden Seiten.

Der griechische Teil Zyperns ist übrigens Teil der EU, der türkische Teil existiert nicht. Weder die EU noch andere Staaten erkennen die „Türkische Republik Nord-Zypern“ an. Somit ist Nord-Zypern wirtschaftlich komplett von der Türkei abhängig. Alle Waren die Nord-Zypern exportieren möchte, z.B. Mandeln, Zitronen oder Johannisbrot gehen zunächst in die Türkei und von dort „türkischen“ Ursprungs weiter in die Welt.

Siphahi – antike Siedlung und Basilika

Uns zieht es zurück in die Berge. 20 Kilometer liegen heute vor uns, doch zunächst sehen wir uns die Ausgrabungsstätte von Sipahi an. Im 5./6. Jahrhundert war die Küstenregion dicht besiedelt, Landwirtschaft und Handel florierten. Die Kirche von Sipahi oder Agia Trias wurde gegen Ende des 5. Jhs. errichtet, doch sie hielt nur etwa 150 Jahre. Um diese Zeit versetzten die Araber mit blutigen Raubzügen die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Die Siedlung um Sipahi und die Basilika wurden zerstört und gegen Ende des 8. Jhs endgültig aufgegeben. Vom dreischiffigen einst 20 Meter langen und 14 m breiten Gotteshaus ist nicht mehr viel erhalten – uns beeindrucken vor allem die Bodenmosaike. Neben geometrischen Motiven wie Rhomben, Quadraten, Kreuzen, Kreisen und Wellen entdecken wir mitten drin ein Paar Sandalen. Solche Sandalen gelten als Symbol für Pilger, daher wird angenommen, dass die Agia Trias (Heilige Dreifaltigkeit) auch eine Pilgerstätte war.

Sipahi

Auf einem breiten Forstweg verlassen wir die Küste und wandern wieder hinauf in die Berge. Auf meist breiten Wegen bleiben wir heute auf der Höhe. Gut, dass wir nicht so viele Aufs und Abs haben, denn die heutige Etappe gehört mit 22 Kilometern zu den längsten. Es weht ein eiskalter Wind. Unsere Hoffnung, dass er die dunklen Wolken über uns hinweg treibt erfüllt sich nicht – immer wieder geht ein Regenschauer auf uns nieder bis wir in Dipkarpaz den mittels Klimaanlage erwärmten Bungalow beziehen.Ziegenbock

Dipkarpaz – der Hauptort auf Karpaz

Dipkarpaz ist der Hauptort der dünn besiedelten Karpazhalbinsel. Hier wurden nach der Teilung hauptsächlich anatolische

Dipkarzpaz, Zentrum

Bauern angesiedelt, aber es gibt auch noch eine kleine griechische Minderheit. Etwas ist sonderbar in Dipkarpaz und ich brauche beinahe einen ganzen Tag um herauszufinden warum ich mich komisch fühle: Wir sehen keine Frauen in der Öffentlichkeit. Die Lebensmittelhändler, die Menschen auf den Straßen mit Einkaufstaschen, die Bedienung im Hotel, der Busfahrer … alle männlich. Ich fühle mich nicht unwohl oder gar bedroht, alle sind sehr freundlich, höflich und zuvorkommend, aber merkwürdig ist es schon.

Wir starten durch zu unserer letzten Etappe – von Dipkarpaz zum Kap Zafer, dem östlichsten Ende. Wir laufen über den menschenleeren schönsten Strand Nord-Zyperns, den Golden Beach.
Dann wandern wir zurück ins Gebirge, das hier zu einem großen Hügel abgeflacht ist. Plötzlich steht er da und schaut uns an: ein Esel. Mitten im Gebüsch. Diese Esel wurden von ihren Besitzern 1974 zurückgelassen. Auf sich selbst gestellt bilden sie kleine Gruppen und leben frei und ungebunden. Sie sind recht scheu und auch dieses Exemplar galoppiert nach kurzer Überlegung ins schützende Gebüsch.

Ganz anders am Andreas Kloster. Auf dem Parkplatz stehen einige zottige Gesellen und erhoffen sich von den Klosterbesuchern Leckereien. Das Andreas Kloster ist komplett umzäunt und eingerüstet – es wird renoviert. Wir marschieren noch drei Kilometer weiter bis zum Kap. Hier weht auf dem Hügel die türkische Flagge neben jener der Republik Nordzypern. Es ist windig und kalt. Dipkarpaz nach Kap ZaferWir lassen uns vom Sohn unseres Gastgebers mit dem Auto abholen und legen nur noch die Füße hoch. Öffentlicher Nahverkehr ist praktisch nicht vorhanden auf der Karpaz-Halbinsel. Entweder man mietet ein Auto in Girne oder Gazimagusa oder fährt – wie wir mit dem Taxi.

Gazimagusa

Die 90minütige Fahrt von Dipkarpaz nach Gazimagusa kostet 60,- Euro und unser Taxifahrer macht sogar noch eine kleine Stadtrundfahrt in Gazimagusa mit uns. In Gazimagusa übernachten wir im ersten Hotel am Platz dem Palm Beach – weil die anderen netten Hotels noch geschlossen sind. Nun ja, mit einem fünf Sterne Hotel zwischendurch können wir leben – besonders mit dem mehrere Meter langen Frühstücksbuffet. Noch dazu haben einen Balkon und blicken direkt auf den Strand und das Meer und auf Varosha.

Varosha – ein sieben Kilometer langer Streifen entlang eines wunderschönen, hellgelben, feinsandigen Strands mit Hotelhochhäusern die bis zu 40000 Urlaubern Platz boten. Bis 1974. Jetzt ist dieser Strand, die Hotels, das gesamte Viertel „off limits“ für alle! Bewacht wird das Ganze von bewaffneten UN-Soldaten. Ein Zaun markiert die Grenze. Alle paar Meter klebt ein Hinweisschild: Verbotene Zone, keine Fotos. In fünf Sprachen. Auch in Deutsch. Also keine Ausrede. Und die Jungs sind wirklich aufmerksam, die meinen das ernst. Also mache ich nur Fotos mit dem Tele von unserem Balkon aus.

Varosha - verbotene StadtGazimagusa – einst Famagusta – hat eine nette Altstadt die komplett von einer dicken Stadtmauer umgeben ist. Mehrere Tore öffnen den Weg in die Stadt. Die 365 Kirchen, die Gazimagusa einst gehabt haben soll, wurden entweder zerstört oder entkernt, Figuren von den Fassaden abgemeißelt, der Innenraum mit Teppichen ausgelegt, ein Minarett auf den abgeschlagenen Kirchturm gesetzt und voilá – fertig ist die Moschee.

Salamis – auf den Spuren von Paulus und Barnabas

Am nächsten Morgen sind wir die Ersten. Die ersten Besucher. Ich möchte die antiken Säulen fotografieren, doch sie sitzt einfach vor der Linse: die Herrin von Salamis. Ich gebe mich geschlagen und fotografiere einfach – Katze.SalamisSalamis war vor Famagusta/Gazimagusa die Hauptstadt der Region. Seit etwa dem 11. Jh vor Chr. ist Salamis führend unter den Stadtkönigtümern Zyperns. Phönizier, Assyrer, Perser, Ptolemäer und Römer prägen das Bild der Stadt. Als erste Stadt der Insel prägt Salamis etwa ab 515 v.Chr. eigene Münzen. Um 45-47 n.Chr. bringen Paulus und Barnabas das Christentum in die Stadt. Durch Kriege, Erdbeben und Tsunami wird Salamis zerstört und wieder aufgebaut bis sie im 7. Jh n. Chr. endgültig aufgegeben wird.

Den ganzen Tag schlendern wir durch die Überbleibsel der reich verzierten römischen Baukomplexe: Gymnasium, Stadion, Bad, Amphitheater, Thermen, Tempel, Plätze, Villen. Daneben verblieben aus der christlichen Zeit mehrere riesige Basiliken. Den ganzen Tag trübt noch dazu kein Wölkchen den Himmel – ein wunderbarer Abschluss.

Mein Fazit nach drei Wochen: Nord-Zypern eignet sich hervorragend für einen kombinierten Urlaub aus Wanderungen, Besichtigungen von historischen Stätten und ab Mai auch zum Baden. Wer den Beşparmak-Trail laufen möchte wählt am besten März bis Mai – dann ist es noch nicht so heiß, die Landschaft ist in gelb-grüne Blütenpracht gehüllt und der Wanderer ist meist allein unterwegs.
Weg im FrühlingRegenzeug und warme Kleidung sollte dann allerdings im Gepäck nicht fehlen – meinen in letzter Minute eingepackten Merino-Rollkragenpullover habe ich täglich getragen, meinen Badeanzug dagegen gar nicht. Die Menschen sind überall äußerst hilfsbereit und zuvorkommend. Die Straßenbauarbeiter hatten solches Mitleid mit einer schwer bepackten Touristin, dass sie mir Tee anboten. Zum obligatorischen Foto musste ich dann auch noch einen Bauhelm aufsetzen. Obwohl keiner des anderen Sprache verstand, hatten wir riesigen Spaß.

Für Nachahmer empfehle ich: Meridian-Touristik